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Einsam stirbt öfter. Ein Requiem

Noch bis 22. November können Sie neben St. Lukas "Ein Requiem für Verschwundene" besuchen und hören, eine Audioinstallation von Gesche Piening. Ein weiteres von drei Formaten zum Thema "Bestattungen von Amts wegen" der Autorin ist das Hörspiel "Einsam stirbt öfter". 
Wir freuen uns sehr, dass dieses Hörspiel jetzt für den Deutschen Hörspielpreis nominiert wurde! 
Sie können es hier anhören, als MP3 herunterladen und dafür abstimmen:

SWR iFrame Einsam stirbt öfter – 26. Oktober 2020

Publikumspreis: Hier abstimmen  |  Audio herunterladen (99,5 MB, MP3)  |  zur Homepage der ARD Hörspieltage auf swr.de

VON GESCHE PIENING – DEUTSCHER HÖRSPIELPREIS DER ARD
Eine Aussegnungshalle, eine Trauerfeier, ein Verstorbener – aber keine Trauernden. Geboren, gelebt und gestorben. Mitten in der Stadt. Unter Menschen und doch fremd. Was ist da passiert?
Einsam stirbt öfter erzählt von all denen, die mitten in der übervollen Großstadt vereinsamt leben, unbemerkt versterben und schließlich von Amts wegen bestattet werden, weil niemand sonst ihre Totenfürsorge übernehmen will oder kann.
Wie wurde ihr Leben zu dem, was es am Ende war? Gab es Familie? Freunde? Nachbarn? Einen Bäcker, der den Toten vermisst? Eine Briefträgerin, die feststellt, dass die Frau, die niemals Post bekam, nun auch nicht mehr die Wohnung verlässt? Was bleibt, wenn keiner zurückbleibt, der weint?

 „Es ist schön, wenn es auf Trauerfeiern Menschen gibt, die wirklich traurig sind.“

Gesche Piening

„Die Biografien der Betroffenen, die mir bei der Arbeit an diesem Hörspiel begegnet sind, weisen alle starke Brüche auf. Sie erzählen von Armut, Ausgrenzung, Krankheit, gesellschaftlicher Verurteilung, Vereinsamung und Rückzug. Die Trauerfeiern, die am Ende dieser Leben stehen, sind so ziemlich das einsamste, was ich bisher erlebt habe.
Die ausbleibenden nahestehenden Trauernden, die ungeweinten Tränen lassen erahnen, wie einsam und bindungslos das Leben der Verstorbenen am Ende war. Dadurch hat sich mein Blick auf Beerdigungen und unsere Art, mit Trauer umzugehen, stark verändert. Mir wurde klar, wie schön es ist, wenn es auf Trauerfeiern Menschen gibt, die wirklich traurig sind, wenn die Lücke, die jemand hinterlässt, spürbar ist und schmerzt.“ Gesche Piening
Gesche Piening, geboren 1978, Schauspielerin, Regisseurin, Autorin und Dozentin; bundesweit interdisziplinäre Kunstproduktionen in Theaterhäusern und auf Festivals; mehrere preisgekrönte Features für den BR, Ödön-von-Horváth-Preis (Förderpreis) 2016 für ihr bisheriges Werk. Theaterarbeiten u. a. Vom Zauber der Nachfrage (2013), Wer wollt Ihr werden. Ein professioneller Optimierungsguide (2015), Wer wollen wir gewesen sein? (2017). Radioarbeiten u. a. Besser ist nicht gut genug. Leben in der atemlosen Gesellschaft (2016), Heute mit beschränkter Haftung? Keine Gesellschaft ohne Zukunft (2017), Der Tod unterscheidet nicht. Wir schon. Bestattungen von Amts wegen in der Großstadt (2019). Einsam stirbt öfter ist ihr Hörspieldebüt.

MITWIRKENDE:

Stimmen Mareike Beykirch, Stephan Bissmeier, Katja Bürkle, Peter Fricke, Ercan Karacayli, Sylvana Krappatsch, Jeannette Kummer, Christopher Mann, Raphaela Möst, Wolfgang Petters, Uta Rachov, Friedrich Schloffer, Johannes Silberschneider, Georgia Stahl, Harry Täschner, Xenia Tiling, Ulrich Zentner, Stephan Zinner
Realisation Gesche Piening
Komposition Maasl Meier, Marja Burchard
Dramaturgie Katja Huber
Produktion BR 2020
Länge 52‘58‘‘

"Ein Jahr an St. Lukas – das hattest du dir doch sicher anders vorgestellt?" Dieser Satz ist mir in den letzten Monaten oft begegnet.
Nun ja, sicherlich hätte ich nicht gedacht, dass ich in meiner WG Einsingvideos drehen würde, weil wir unsere Chöre nicht treffen können. Oder dass St. Lukas eine Gemeinde ist, in der im Gottesdienst Bodypercussion eine Rolle spielt. Oder dass Chorälesingen für Youtube eines Tages eine gefragte Tätigkeit sein würde.
Dass eine Gemeinde sich in schwierigen Situationen als eine Gemeinschaft entpuppt, wo die Mitarbeiter*innen, egal ob ehrenamtlich oder hauptamtlich, aus der Not eine Tugend machen und Chancen sehen für kreative Neuanfänge, #DigitaleKirche, das hätte ich wahrscheinlich auch nicht geglaubt.
Zu meinen schönsten Erlebnissen an St. Lukas gehören sicher die Stimmung beim Lichtermeer-Konzert, der Evensong mit Sänger*innen aus der ganzen Stadt, die Aufregung beim Fernsehgottesdienst oder die konzentrierte Arbeit auf dem Probenwochenende mit dem Lukaschor.
Aber auch die spürbare Dankbarkeit aller Mitfeiernden nach den ersten, wieder analogen Gottesdiensten im Mai gehört dazu. Die Freude der Chorsänger*innen über alles, was wieder geht. Natürlich hätte ich in meinem Studium nie gedacht, dass es in meiner Bewerbungszeit schwierig sein würde, mit Chören zu proben. Aber egal wohin es geht, ich nehme gute Ideen mit aus St. Lukas.
Gottesdienst in St. Lukas, Sonntag, 13. September, 10.00 Uhr – Verabschiedung mit anschließender Orgelmatinee

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Hörspielpreis der ARD – Jetzt mit abstimmen:
Einsam stirbt öfter. Ein Requiem

Gottesdienst am 25. Oktober 2020
mit Pfarrer Dr. Oliver Heinrich

Gottesdienst am 18. Oktober 2020
mit Pfarrer i.R. Gerhard Monninger

Einführung von Stadtdekan Dr. Liess
Liveübertragung des Gottesdienstes vom
11. Oktober 2020 aus St. Lukas

Gemeindebrief Okt. + Nov. 2020
Online + zum Mitnehmen in der Kirche

Container Einsam stirbt öfter – 26. Oktober 2020

Verabschiedung von Marion Krall nach ihrem Praxisjahr als Kirchenmusikerin in St. Lukas

Unser langjähriges Gemeindemitglied Peter Kahle ist im Alter von 73 Jahren verstorben. Peter war der Lukaskirche, dem Gottesdienstleben und vielen Haupt- und Ehrenamtlichen über Jahrzehnte sehr verbunden.
Kein Christopher-Street-Day-Gottesdienst fand ohne ihn als Mitorganisator und Mesner statt. In Urlaubszeiten hat er oft bei Taufen und Trauungen unseren Mesner vertreten. Im Sonntagsgottesdienst gehörte Peter über viele Jahre fest zum Mesnerteam.
Noch Vieles wäre zu nennen. Wir sind Peter Kahle zu großem Dank verpflichtet.
So gerne würden wir unserer traurigen Pflicht nachkommen und Peter eine Trauerfeier in der Kirche halten. Das ist aus bekannten Gründen nicht möglich. Peter wird im kleinsten Kreise bestattet werden.
Die Kirchengemeinde St. Lukas möchte auf diese Weise seiner Gedenken. Und wenn wir uns in seiner geliebten Lukaskirche wieder versammeln dürfen wird es einen Gedenkgottesdienst für ihn, unser Gemeindemitglied, den Ehrenamtlichen und Freund geben.
Peter Kahle, ruhe in Frieden!

Jesus hat auch ein Haus gemalt. Mit Worten. Ein Haus auf dem Felsen, auf gutem Fundament gebaut. Es stürzt nicht ein, wenn der Sturm kommt. Wenn der Wind, wenn der Platzregen kommt, wenn es heftig wird. Das gut gegründete Haus bleibt. Nur das nicht gegründete kann es wegspülen. Sand als Baumittel – die Schwierigkeiten kennt jeder von uns, der sich an den eigenen Sandkasten oder die Sandburg am Meer erinnert.
Jesus malt dieses Haus am Ende seiner Bergpredigt. Dieser großartigen Zusammenstellung von Worten, Bildern, Weisheiten, von denen viele zur Weltliteratur gehören. Das dreifache Gebot der Liebe. Die Seligpreisungen. Was er denkt über Ehe, Feindesliebe, Umgang mit den Armen, das Schätze sammeln. Ideen und Gedanken, die das Leben von Christen prägen. Die uns zeigen, was diesen Glauben ausmacht. So sieht es im christlichen zu Hause aus. In unserem Glaubenshaus. Die radikale Liebe zu Gott, zu seinen Menschen, zu mir selbst – und das alles im richtigen Verhältnis. Das ist das Fundament, auf dem unser Lebenshaus gegründet ist bis in Ewigkeit. Es gibt kein Leben, es gibt keinen Glauben ohne die anderen. Ich wünsche mir, dass unser Kirchenhaus so aussieht. So eingerichtet ist, auf Fels, Türen und Fenster offen.
Ein Haus auf dem Felsen für andere erkennbar. Deutlich wofür wir stehen. Für die Liebe zu Gott und seinen Menschen.
Wohnen ist ein Menschenrecht. Gut zu Wohnen ist die Voraussetzung dafür, dass ich gut und menschenwürdig leben kann. Wer weiß das besser als Menschen, die in München und Oberbayern eine bezahlbare Wohnung suchen. Auch in den Ballungsräumen in anderen Ländern ist es das zentrale soziale Thema der 20er Jahre. Da muss alle Energie hinein. Die Kommunen, das Land, der Bund, die privaten Besitzer, die Kirchen, wir brauchen alle.
Und vor allem brauchen wir viel mehr sozialen, gemeinwohlorientierten Wohnungsbau. Wir hatten das schon einmal. Da war ich jung. Nun bin ich – Regionalbischof. Jetzt brauchen wir es wieder.
Zum Wohlfühlen gehört auch die Nachbarschaft, die Umgebung. Auch da gibt es Gestaltungsbedarf. Wir leben in ruppigen Zeiten. Da kommt manches wieder an die Oberfläche, was wir uns nicht mehr vorstellen konnten. Unser klares Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus, gegen jede Form von Rassismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist heute bitter nötig, wir schauen da nicht zu, wir stehen auf.
Das Haus auf dem Felsen. Dieses Haus hält. Christen stehen auf gutem Fundament. Beton ist es nicht. Aber fest und gut und sicher. Unsere Aufgabe, die ureigene Aufgabe von Kirche und ihrer Diakonie ist es, Menschen zu beherbergen, Menschen ein gutes Zuhause zu schaffen. Und das wird so bleiben in diesen Zeiten, da so viele ihr Zuhause verlassen.
Doch auch das innere Haus muss gut eingerichtet sein. Wer andere gut beherbergen möchte, muss selber gut zu Hause sein.
Bei mir zu Hause – dazu muss ich gut auf mich hören. Auf meine inneren Stimmen. Was das so klingt und singt. Nehmen Sie sich diese Zeit, am besten täglich. Hören Sie zu.
Wer betet, hört auf die inneren Stimmen und bekommt zugleich Abstand von all dem, was gerade so wichtig war oder schien. Nichts drängt, nichts zwingt, nichts muss gerade. Nur ich und die Stille.
Ich liebe es, auf einem Weg zu einem Termin noch in eine Kirche zu gehen. Mich hinzusetzen. Vielleicht zu beten. Eine Kerze anzuzünden. Bei mir zu sein. Bei mir zu Hause und doch im Haus Gottes. Ich freue mich auf diese Gelegenheiten – hier im schönen München und im schönen Landsberg und in Reichenhall und und und.
Viele empfinden, dass wir in felsigen, oft auch frostigen Zeiten leben. Die Welt ist kompliziert. Es ist nicht einfach sich hier auf sicherem Boden zu bewegen. Was bleibt überhaupt? Was gilt?
Also – an die Arbeit. Wie wir das seit Jahrhunderten tun. Ins Offene hinaus. Zu den Menschen. Aufs Glatteis.
Wir wissen, unser Lebenshaus steht auf einem felsenfesten Grund. Hier auf der Erde steht unser Zelt, in der Ewigkeit wartet das Haus Gottes auf uns, so haben sie es in der alten Kirche Jahrhunderte vor uns gesagt.
In den Häusern, die ich als Kind malte, stand am offenen Fenster immer jemand. Fröhliches Gesicht. Und winkt wie wild. Hier bin ich. Komm herüber. Ich freu mich auf Dich.
Amen.”

– es gilt das gesprochene Wort –
Aufzeichnung des Gottesdienstes in der BR Mediathek 09.02.2020, 15:00 Uhr
Menschen beherbergen, ihnen ein Zuhause schaffen – das ist eine ureigene Aufgabe von Kirche, im geistlichen und im diakonischen Sinn. Unter dieses Motto stellt Christian Kopp, bisher Dekan in Nürnberg, seine Antrittspredigt als neuer Regionalbischof von München und Oberbayern. Ein Gemälde gibt dabei das Thema vor: "Das Haus des Künstlers" von Gerhard Rießbeck, dem Träger des Kunstpreises 2019 der bayerischen Landeskirche. Am Sonntag, den 9.2.2020 wurde Christian Kopp von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in seiner künftigen Predigtkirche St. Lukas sein neues Amt eingeführt.
Mitwirkende: Regionalbischof Christian Kopp, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Pfarrer Helmut Gottschling, Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel, Verena Rendtorff, Vokalensemble "Vox Ad Hoc", Orgel und musikalische Leitung: Lukaskantor Tobias Frank.
Hier die Predigt von Christian Kopp zum Nachlesen:
“Auto oder Haus. Als kleiner Junge, liebe Festgemeinde,
habe ich Autos oder Häuser gemalt. Auto mit vier Rädern, Kombi oder Limousine, Auspuff, und – immer schöne Felgen. Bei den Häusern erinnere ich mich an das zeitintensive Zeichnen von Dachschindeln. Mit Schwung von links oben nach rechts oben. Möglichst gleichmäßig. Eine Tür, Fenster. Immer hat eine Person aus dem Haus herausgeschaut. Daran erinnere ich mich.
Ein Haus ohne Menschen ist ein Haus. Ein Haus mit Menschen ist Begegnung. Wir haben den Altar heute umgestaltet. In das Haus Gottes, in das Altarhaus hier, ein drittes Haus gehängt. Es passt nicht ganz hinein. Irgendwie stört es hier in der Kirche. Und das soll es auch: stören und uns anregen in dieser kurzen Zeit im Kirchenjahr zwischen Weihnachten und der Passionszeit. Da bricht was auf im Kopf, in den Gedanken.
Dieses Haus steht auf felsigem, teils schneebedecktem Grund. Es ist erstaunlich hoch. Weit und breit ist sonst nichts. Es hat schwarze Seiten. Auf seinem Dach weiße Flecken, als würden sich die Wolken spiegeln oder alte Schneeflecken dort liegen. Neben der schwarzen Giebelseite ist die Sichtseite weiß und ganz farbenfroh. Ein bisschen sieht es aus wie eine große Scheune.
Wie es so ist mit Kunst: Wir legen unsere Empfindungen in dieses Bild. Mich fröstelt. Eisig, kalt die Landschaft. Und in diesem Eis zieht mich das Haus an. Ich möchte es erkunden. Ich habe Lust hineinzugehen. Vielleicht brennt ein Feuer? Wo ist der Eingang? Was bedeutet das L an der Wand? Ist da ein Fenster? Oder steht es für Liebe, Lust, Leidenschaft?
„Das Haus des Malers“ heißt dieses Bild von Gerhard Rießbeck. Es gehört in eine Reihe von Polar-Eis-Bildern, die auf Expeditionen nach Grönland und in die Antarktis entstanden sind. „Die Häuser in der Eiswelt sind besonders hausig, weil sie nach einem sehr einfachen Grundschema konstruiert sind.“
Und in seinen Häusern spiegeln sich unsere Seelen. Manchmal ist alles bunt und fein und hübsch. Und ein anderes Mal ist der Rollo unten. Kein Eingang. Kein Nichts. Kein Kontakt. Manchmal ist der Boden unter mir fest und sicher. Und dann wieder ist es dünnes Eis.
Gerhard Rießbeck, der den Kunstpreis der Landeskirche im Jahr 2019 gewonnen hat, sagt augenzwinkernd von sich: er wäre gerne Maler von Altarbildern geworden. Altarbildern kann man nicht ausweichen. Die Themen, die er wählt, gehören heute auf die Altäre unserer Kirchen. Es sind existenzielle, geistliche Themen des 21. Jahrhunderts.
Wenn ich nach Hause komme, hat kürzlich in einem Café hinter mir jemand laut gesagt, muss es mir warm ums Herz werden. In einem Haus kann ich wohnen. Ich kann mich wohl fühlen. Mein Rückzugsort. Mein Zu-Hause. Mein Daheim. Meine Heimat. Essen. Schlafen. Lieben. Lümmeln. Fein kochen. Am Wochenende in Wohlfühlklamotten. Ich habe schon in manchen Häusern so gewohnt. Ja, ich habe sehr behütet gelebt.
Wie viele mussten und müssen heute wieder ihre Kindheitshäuser unfreiwillig verlassen, weil Krieg ist und Terror. Oder Häuser und Wohnungen, die einmal Familien-Liebes-Wohnungen waren. Und nach der Trennung keine Heimat mehr sein können.

St. Lukas bekennt Farbe: gemeinsam mit dem Evang.-Luth. Dekanat München und der Evang.-Luth. Kirche in Bayern unterstützen wir die Aktion „ZONTA Says NO“ zum Thema Gewalt gegen Frauen.

Am 25. November ab 17 Uhr erleuchteten in München über zehn öffentliche Gebäude in orange. Neben anderen wie der Allianz Arena, dem Bayerischen Staatsministerium für Inneres, dem Gasteig, dem Fernsehturm im Olympiapark, dem High Sky-Riesenrad und weiteren setzt auch die Evang.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und ließ St. Lukas in Orange erstrahlen. 

Weitere Informationen auf der Seite des Zonta Club München II: https://muenchen-2.zonta.info/

Bilder: Harald Fröschl, http://picpanzee.com/frog.pix

Denn wenn wir an Christus glauben, gibt es keine Fremdlinge mehr oder Gäste. „So seid ihr keine Gäste oder Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. So heißt es im Wochenspruch für heute aus dem Brief des Paulus an die Epheser. Auch er nimmt diese jüdische Tradition auf.
Wir sind Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. An Gottes Tisch gehören doch diejenigen, die sich fremd und ausgeschlossen fühlen: Sünder und Fremde. Darum ging es Christus doch: die in die Gemeinschaft zu holen, die sich schuldig fühlten und ausgeschlossen. Ob Sünder oder Fremder. Alle gehören dazu: Die Ängstlichen und die Mutlosen: Petrus und Judas, die ihn verraten haben als Jesus verhaftet und zum Tode am Kreuz verurteilt wurde. Wer sich fremd fühlt, darf zu Gott nach Hause kommen. Wer sich schuldig fühlt, darf Vergebung erfahren und neu anfangen. Auf diese Kraft hat Christus vertraut. Deshalb dürfen wir hoffen und immer wieder neu vertrauen. Fehler machen zu dürfen und mit ihnen barmherzig umgehen, da haben wir hier alle miteinander noch viel zu lernen. Denn aus der Vergebung wächst neues Vertrauen.
Im Glauben sollen und dürfen wir vor allem eines niemals: Ängste schüren und Misstrauen säen. Unsere Aufgabe als Christen ist es Mut zu machen, zu vergeben und Vertrauensmeister zu werden.
Was steht uns im Wege? Paulus sagt: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst“. Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient. Ich habe diese Worte für die Predigt nicht ausgesucht. „Jeder sehe nicht auf das Seine“. Das ist die christliche Antwort auf das zunehmende Ich-Zuerst-Gebaren der Nationen in der Welt.
„…in Demut achte einer den andern höher als sich selbst“ Mag sich jede und jeder von uns selbst prüfen, wie er es damit hält. „Den anderen höher achten als sich selbst“. Oft erlebe ich es anders herum. Man schaut auf den eigenen Vorteil, dass man selbst in gutem Licht dasteht und lässt den anderen dabei schlecht ausschauen. Schaue jeder in der Arbeit, wie er es mit den Kollegen hält. Und in wie vielen Beziehungen und Ehen machen sich die Partner gegenseitig schlecht? 
Demut ist nicht populär. Es geht nicht darum, sich kleinzumachen oder dass die Zu- Kurz- Gekommenen, sich noch kürzer gemacht fühlen. Demut ist der Mut, von sich  selbst abzusehen. Um seinen eigenen Wert wissen und darum den anderen gelten lassen können. Vielleicht geht es eher darum sich als gleichwertig anzuerkennen. Aber selbst das ist so schwer.
Sollten wir nicht auch hier mehr ins Vertrauen investieren? Auch hier sollten wir uns entscheiden: Was ist besser? Den anderen missachten, über ihn lästern, ihn schlechtmachen, oder wir suchen das, was ihn oder sie wertvoll macht für das Büro, für die Gemeinde oder für die Familie.
„Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient“. Jugendliche suchen nach innerer Heimat und Geborgenheit, nach jemanden, der sie so annimmt wie sie sind. Sie wollen ihre Antworten finden. Gerade sie brauchen einen Geist, der ihnen erlaubt, Fehler machen zu dürfen. Sie brauchen Räume um zu experimentieren. Manchmal gibt es Phasen, das kreist man um sich selbst. Aber hier hat man Zeit und Raum sich zu fragen: Wer bin ich? Wer werde ich sein? Und wofür lohnt es sich zu leben? Gott sei Dank gibt es hier in St. Lukas Jugendliche, die sich für diese schöne Welt einsetzen und für mehr Menschlichkeit und Menschenwürde. Ihr seid hilfsbereit und könnt Verantwortung übernehmen und habt auch noch Spaß dabei. Ihr macht mir Hoffnung.
Christus zeigt sich, wenn wir offen sind und Menschen vertrauen. Wenn wir in unseren Gemeinschaften von uns erzählen, von unseren Sorgen, und dem, was uns im Leben schwerfällt, dann fangen andere auch an zu vertrauen. Wenn wir einander teilhaben lassen an Höhen und Tiefen. Oder wenigstens in Ruhe lassen, das hilft auch schon.
Wenn wir in unseren Gemeinschaften von uns erzählen, von unseren Sorgen, und dem, was uns im Leben schwerfällt, dann fangen andere auch an zu vertrauen. Wenn wir einander teilhaben lassen an Höhen und Tiefen. Christus ist lebendig, wo wir unsere Wunden zeigen. Davon spricht die Bibel. Er zeigt sich uns im Wort der Heiligen Schrift. Und: Weil wir nicht zu jeder Zeit alles verstehen, weil vieles verborgen bleibt, zeigt er sich spürbar im Abendmahl. Wir brauchen sein Wort und das Abendmahl, um immer wieder Mut zu fassen. Wir brauchen Wort und Zeichen seiner Nähe, um uns zu vergewissern, dass wir geachtete und geliebte Menschen sind. So gelingt es uns, Überheblichkeit, Fremdenfeindlichkeit und Machtgebaren zu überwinden. Auf diesen Weg begeben wir uns jeden Tag neu. In allem bleiben wir, wie es im Wochenspruch heißt, Gottes Heilige und seine Hausgenossen und Hausgenossinnen, also die Familie Gottes. Als Familie Gottes sind wir miteinander verbunden. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, das Evangelium Jesu in diese Welt zu bringen und es in der Dunkelheit der Welt leuchten zu lassen.
Als Hausgenossen Gottes sind wir eine Lebensgemeinschaft, berufen, zum Nächsten und zu uns selbst nach Hause zu kommen. Wo uns unsere Wege auch hinführen, wir sind und bleiben die Gemeinschaft der Heiligen Gottes. Wir sind die Heiligen, in denen Gott hervorscheint. Als Gemeinde Christi lassen wir das Licht des Lebens in allem Lebendigen scheinen. Auf diesem Weg wollen wir das Heilige in uns und im Anderen immer wieder suchen und dem Leben zu vertrauen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Fast 20 Jahre wirkte Beate Frankenberger an St. Lukas. Am 15. Juni 2018, dem 7. Sonntag nach Trinitatis, wurde Sie verabschiedet, um ab 1. September ihre neue Pfarrstelle in Tutzing antreten zu können. Dies ist ihre Abschiedspredigt:
Philipper 2, 1-4 Ist nun bei euch Ermutigung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit? So macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
Liebe Gemeinde! Sich durch Christus ermutigen lassen. Das gehört für Paulus zur Gemeinde. Ist das bei uns in der Gemeinde so? Ist bei uns Ermutigung durch Christus? Werden hier Menschen durch Christus ermutigt?
Das ist schwer zu beurteilen.
Ich schaue auf fast 20 Jahre in dieser Gemeinde. Der eine wird sagen ja: ich fühle mich durch so manchen Gottesdienst ermutigt für die neue Woche. Aber vielleicht ist die eine oder der andere auch schon ungesättigt oder verunsichert wieder nach Hause gegangen.
Über fünfhundert Konfirmanden sind in den letzten Jahren hier zusammengekommen, um den christlichen Glauben kennenzulernen. Bei wem ist etwas davon hängen geblieben, was ihm oder ihr zum Leben hilft? Wen wird sein Glaube durchs Leben tragen, von denen, die im Kindergarten die biblischen Geschichten gehört haben oder in den Religionsunterricht gegangen sind? Wir haben hier nur den Samen gesät. Aber ob Menschen sich zum Leben ermutigt fühlen, bleibt verborgen.
Ich denke an die Frauen im Keller hier unter dem Altarraum. Oder an die Männer und Frauen, die zum Obdachlosen Brunch einmal im Monat kommen. Arme und Obdachlose erleben hier in St. Lukas einen geschützten Raum. Sie werden angesehen. Wenn Menschen Gemeinschaft in einem würdevollen Rahmen erfahren, dann wird darin die Gemeinschaft des Geistes mit Christus sichtbar. Denn Christus hat sich denen zugewandt, die mit sich und einem „normalen Leben“ kämpfen. Aber auch hier wird man nicht allen gerecht. Es ist oft ein Fass ohne Boden. Ich hatte oft das Gefühl, letztlich nicht helfen zu können. Von den Helferinnen und Helfern bezeichnen sich manche gar als nicht gläubig. Andere engagieren sich aus ihrem Glauben heraus für die Schwächsten. Es kommt nicht darauf an, wie oft ich den Namen Jesu in meinem Mund führe. Es kommt auf den Geist Jesu an, ob er wirkt und ob Menschen diesen Geist spüren. Vielleicht ist es gut so, dass wir selbst es nicht sagen können, ob er durch uns wirkt.
Paulus fragt weiter. Die Gemeinde in Philippi war seine Lieblingsgemeinde. Aber er prüft.
Ist hier Trost der Liebe, ist hier herzliche Liebe und Barmherzigkeit?
Liebevoll getröstet: Das kann sagen, wer es erlebt hat. Das kann sagen, wer seine Wunden gezeigt hat, wer sich vertrauensvoll an jemanden anlehnen konnte und so Trost erfahren hat. Ich hoffe, dass mancher von mir getröstet wurde.
Paulus freut sich vollkommen, wenn seine Gemeinde eines Sinnes ist, gleiche Liebe hat, einmütig und einträchtig ist. Ich frage mich, ob er mit diesen Worten nicht Vorschub geleistet hat für Konflikte in Gemeinden, die man unter den Teppich kehrt, aus falsch verstandener Einigkeit, oder einen Sinn vorzutäuschen, wo keiner ist. Einen Sinn herzustellen bedarf es vieler Gespräche. Es bedarf einer Leidenschaft für die Sache, um die gerungen werden darf.
Vier verschiedene Kirchenvorstände habe ich erlebt. Nicht immer war man eines Sinnes. Der Zusammenhalt wurde mit den Jahren immer besser. Wir sind tatsächlich ein meist einmütiger, meist sogar einstimmiger Kirchenvorstand. In meiner schlimmsten Zeit hier habe ich großes Vertrauen und starken Rückhalt im Kirchenvorstand erleben dürfen. Danke dafür. Unsere Gemeinde ist geprägt vom Glauben an Gott, wie er sich in Christus gezeigt hat. Wir sind auch im Glauben nicht frei von Nöten. Wir mögen schlimme Sorgen haben oder uns manchmal schutzlos und unsicher fühlen. Aber es ist uns gesagt: „Fürchte dich nicht“. 365-mal steht es in der Bibel. Für jeden Tag einmal. Vielleicht steht es deshalb sooft in der Bibel, weil Menschen sich schon immer gefürchtet haben vor Schmerzen, vor Gewalt, vor dem Verlust. Aber ist unser Leben wirklich von Flüchtlingen bedroht, wie es manche Politiker suggerieren, und rechte Populisten schüren?
Wir leben in einem der reichsten und sichersten Länder, wir dürfen in einem Rechtsstaat leben. In der Regel wachsen unsere Kinder recht behütet auf. Unser Leben ist meist nicht von außen bedroht. Unsere Gesellschaft wird von der Angst beherrscht. Christus hat Gott, seinem Vater im Himmel vertraut, durch tiefste Angst hindurch. Damals im Garten Gethsemane kurz vor seiner Verhaftung.
Wie aber finde ich von der Angst zum Vertrauen?
Erstmal tief durchatmen, die Beine auf den Boden stellen. Boden unter die Füße bekommen und die Tatsachen anschauen. Und v.a. das Wichtigste: Ich entscheide mich neu. Ich entscheide mich zu vertrauen, schaue auf, das, was Mut macht. Vertraue der Kraft des Evangeliums. Es sagt mir: Sorge dich nicht! „Schau die Vögel unterm Himmel an. Sie säen nicht und ernten nicht. Und unser himmlischer Vater ernährt sie doch.“ Die ganze Bibel ist ein Buch darüber, wie wir Vertrauen ins Leben lernen.
Das Evangelium von der Speisung der 5000 Menschen ist ein Beispiel, dem Reichtum Gottes zu vertrauen. Es ist genug für alle da.
Es geht in der Bibel ums Vertrauen, und immer auch schon um Gerechtigkeit, ums teilen.
Jesus steht in der Tradition des Judentums und seinem Gesetz den Fremdling, ob als Gast, als Flüchtling oder als Fremdarbeiter aufzunehmen. So steht es in einer der älteren Fassungen zu den 10 Geboten: „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken, denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil auch ihr Fremdlinge in Ägypten gewesen seid“. Der oder das Fremde war immer eine Herausforderung und bleibt eine Herausforderung, sonst stünde es nicht in der Bibel. Aber wenn wir die Bibel und das Kreuz Jesu ernst nehmen, dürfen wir Flüchtlinge nicht kriminalisieren.
Was ist für dich die spirituelle Dimension von Musik?
Der Heilige Geist und das Hören von Musik haben etwas gemeinsam: man kann sie nicht physisch erklären, aber man kann sie spüren. Wo Sprache den Menschen nicht erreicht, kann Musik ein Türöffner sein. Sie kann die Atmosphäre (Trost, Hoffnung, Freude) eines Anlasses prägen, bringt Ungesagtes zum Klingen, kann Stimmungen kanalisieren und kann etwas vom Göttlichen erahnen lassen.
Im Psalm 27 betet der Psalmbeter: "Eines hätte ich gerne, schauen die schönen Gottesdienste." Was macht für dich einen Gottesdienst schön?
Ich mag die räumliche Verzahnung von Liturgie und Musik. Letztens im Gottesdienst, als unsere Orgel nicht funktionierte und ich von der Truhenorgel im Altarraum aus gesungen und gespielt habe, erlebte ich das Zusammenspiel zwischen Liturg und Musiker als wohltuend. Von der Orgelempore aus bin ich schon sehr weit vom Geschehen entfernt. Gottesdienste mit besonderer Gestaltung finde ich sehr spannend. Die Konzentration liegt dabei allerdings eher auf dem korrekten Ablauf – wer kommt als nächstes dran, wo haben die Musiker zu stehen, etc. Solche Gottesdienste sind für mich besondere „Veranstaltungen“ mit den damit verbundenen organisatorischen Herausforderungen. Innerlich nehme ich eher bei ganz klassischen Gottesdiensten oder auch der mir vertrauten Form der Evensongs teil. Für mich ist das auf eine positive Art vorhersehbar und ich kann mich mehr fallen lassen.
Vor dem Bau der Philharmonie war St. Lukas schon Konzertsaal dieser Stadt. Wie könnte St. Lukas zum spirituellen Konzertsaal dieser Stadt werden?
Das sind wir doch schon! Nur hat sich das noch nicht in ganz München herumgesprochen. Damit das passiert, brauchen wir bedeutend mehr Geld für die kostenintensive Werbung. Sonst bleiben wir in München nicht im Gespräch.
Sergiu Celibidache und Chick Corea habe hier schon Konzerte gegeben. Was ist da aus Deiner Sicht denkbar?
Ich habe wenig Berührungsängste. Ich würde mich über Kooperationen freuen mit anderen Kultureinrichtungen und Hochschulen. Theater, Ballett, Streetwork-Projekte, … alles denkbar. Da wir Kirchenraum bleiben, haben wir die Chance ein Spannungsfeld für neue künstlerische und soziale Formate zu schaffen – vorausgesetzt wir haben den Platz dazu. Da wirbestimmen, wie der Raum durch wen „bespielt“ wird, bleibt zudem der spirituelle Geist von St. Lukas gewahrt.
Was wünscht du dir konkret für die Sanierung und Gestaltung?
Ich wünsche mir einen freien Raum unter Kuppel und die dadurch entstehenden Möglichkeiten für Gottesdienst und Konzert; ein intelligentes Lichtkonzept um den Raum zu inszenieren; eine sanierte Orgel um noch mehr das Potenzial ausschöpfen zu können, das in ihr schlummert und ich wünsche mir, dass die Einwohner von München St. Lukas als ihreKirche entdecken und sie noch mehr als bisher ein Ort für Gesellschaft, Kultur und Dialogwird.
Prof. Gunther Wenz
In diesem Reich gilt die Devise, die für alles geistliche Handeln grundlegend ist: Sine vi humana, sed verbo (vgl. CA 28). Die Kirche dient Gott durch die Ohnmacht des Wortes, in der sich der göttliche Geist als machtvoll erweist, nie hingegen durch Mittel äußeren oder inneren Zwangs. Deshalb sind die Prinzipien der Religionsfreiheit, der Gewissensfreiheit und der Nichtidentifikation von Staat und Kirche strikt zu achten. Eine Religionsgemeinschaft, welche die Gewissen zu zwingen und ihre Überzeugung nach innen und außen gegebenenfalls mit Gewalt durchzusetzen gedenkt, hat nach Luthers Urteil als abwegig und gefährlich zu gelten. Theokratische Kirchenmodelle lehnt er deshalb grundsätzlich und kompromisslos ab. 
Was hinwiederum das Reich zur Linken betrifft, so hat Luther zufolge Gott die staatlichen Organe zwar mit der Schwertgewalt, also der Macht ausgestattet, dem Recht nach innen und nach außen notfalls unter Einsatz von Zwangsmitteln Geltung zu verschaffen. Aber dieser Einsatz muss stets rechtlich geordnet und auf die Durchsetzung, Wahrung und Sicherung der äußeren Sphäre der Freiheit beschränkt sein. Der innere Mensch dagegen geht den Staat nichts an. Religiöse Grundüberzeugungen und Gewissensentscheide sind daher im staatsrechtlichen Rahmen zu achten. 
Was aber die Außenbeziehungen eines staatlichen Gemeinwesens betrifft, so ist es zwar zur Wahrung von Eigeninteressen nicht nur berechtigt, sondern förmlich verpflichtet, was zu Interessenskonflikten erheblichen Ausmaßes führen kann. Aber diese sind als Interessenskonflikte mit dem Ziel diplomatischen Ausgleichs anzugehen und nicht quasireligiös-ideologisch aufzuladen, so als ginge es in der Auseinandersetzung um den Streit der Söhne des Lichts gegen diejenigen der Finsternis. Kurzum: Es ist friedensförderlich, wenn sich ein Staat kein religiöses, sondern ein strikt säkulares Ansehen gibt, wohingegen jede ideologische Überhöhung zu einem kriegstreiberischen Totalitarismus führt.
Luther ist den Grundsätzen seiner sog. Zwei-Reiche-Lehre, die, wenn man in etwas anachronistischer Weise formulieren darf, Staat und Kirche weder gleichsetzt, noch einfachhin trennt, sondern in das Verhältnis eines differenzierten Zusammenhanges setzt, selbst nicht durchweg treu geblieben. Seine zum Teil blindwütig-grobianischen Kommentare zum Bauernkrieg von 1525 belegen dies ebenso wie antijudaistische Ausfälle namentlich aus der Spätzeit seines Lebens. Die Furcht vor staatlichen Kontrollverlust und praktischer Anarchie einerseits und ein schwer entwirrbares Knäuel von Vorurteilen andererseits verleiteten den Reformator gelegentlich dazu, eigene Einsichten nolens volens aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Umso wichtiger ist es, sie bewusst zu machen und in Erinnerung zu halten. 
Seligpreisung der Friedfertigen
Die Zeit vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges war hierzulande eine der längsten relativen Friedenszeiten. Nur wir haben die Gunst, in einer noch längeren Periode der Abwesenheit von Krieg zu leben. Daran und an die Tatsache, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, sollten wir gelegentlich denken. Es dauerte nur etwas mehr als zwei Jahrzehnte, da begann nach dem Ende des Ersten schon ein Zweiter Weltkrieg. Einen Dritten darf es nicht geben, und auch die regionalen kriegerischen Auseinandersetzungen, deren Zeugen wir sind, müssen ein möglichst rasches Ende haben, ohne neue herbeizuführen! Was tun? Jesu Antwort, die er in seiner Bergpredigt gibt, lautet: friedfertig sein. „Selig sind die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5,9) 
Eirenopoioi werden die Friedfertigen im matthäischen Urtext genannt. Luther erklärte, wie in der revidierten Fassung seiner Bibelübersetzung aus dem Reformationsgedächtnisjahr eigens vermerkt ist, dass es sich dabei um Leute handelt, „die den Frieden machen“, also tätig für ihn eintreten und ihn aktiv gestalten. Gerade darin besteht die Pointe der jesuanischen Seligpreisung. Luther hat sie in einer Predigt von 1530, dem Jahr des Augsburger Reichstags und der Confessio Augustana als des Zentralbekenntnisses der Reformation, folgendermaßen umschrieben: Gottes Kinder sollen diejenigen heißen, die sich befleißigen, „das sie gerne fride schaffen, nicht allein fur sich, sondern auch unter andern leuten, das sie helffen böse und verworren sachen vereinigen, hadder vertragen, krieg und blutvergiessen weren und verkomen“ (WA 32, 330, 13-15). Die von Jesus in der Bergpredigt als Kinder Gottes Seliggepriesenen sind Luther und dem ursprünglichen Wortlaut des Textes zufolge nicht nur friedliche, in ihrer Friedlichkeit passiv verharrende, sondern Frieden machende, Frieden stiftende Leute. 
Friedensgebote
In diesem Zusammenhang erinnert Luther jeden Christen und insbesondere diejenigen unter ihnen, die politische Verantwortung tragen, mit Nachdruck an ihre Pflicht zu aktiver Friedensarbeit. Woran denkt er? Naheliegenderweise an die Erfüllung des fünften Gebots, wonach wir unseren Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun sollen, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten (vgl. EG 1554). Aber auch die anderen Dekaloggebote kommen in Betracht, etwa das achte: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.“ (EG 1555) 
Kein Afterreden, wie es im Lutherdeutsch ebenso drastisch wie treffend heißt, keine „fake news“, um es neudeutsch zu sagen: Wahrhaftigkeit ist für die Gestaltung friedlicher Verhältnisse schlechterdings unentbehrlich. Interessen zu haben und sie offen zu vertreten, ist legitim und geboten. Sie zu verschleiern und klammheimlich geltend zu machen, untergräbt die öffentliche Moral und führt sowohl innerhalb eines Gemeinwesens als auch im Verhältnis der Staaten zueinander in kriegerisches Verderben. Friedensförderlich hingegen ist in beiderlei Hinsicht freie, offene und wahrhaftige Rede. Solange man redet, schießt man nicht, heißt es. Zur Diplomatie, so grau sie auch anmuten mag, gibt es keine echte politische Alternative. 
In seiner Friedenspredigt von 1530 empfiehlt Luther diplomatische Ausgleichsbemühungen mit äußerstem Nachdruck. Auch und gerade im Falle eines schweren Konflikts müssten nichtkriegerisch-friedliche Maßnahmen bis an die Grenze der Selbstaufgabe hin ausgeschöpft werden. Erst dann sei ein ausschließlich auf Verteidigungszwecke zu beschränkender Einsatz von Waffen erlaubt. Potentaten, die sich nicht an diese Weisung hielten und leichtfertig kriegerische Auseinandersetzungen einzugehen gewillt seien, sollen, so Luther, „nicht Christen, sondern des Teuffels kinder heissen“ (WA 32, 330, 39-331,1).
Friedensgebet
Gottes Kinder fertigen Frieden, Kinder des Teufels reizen zum Krieg, ohne der satanischen Kräfte, die sie entbinden, mächtig zu sein. Dass dies so ist, immer so war und stets so sein wird, zeigen der 1618 begonnene Dreißigjährige Krieg und der 1918 beendete Erste Weltkrieg, um vom bald darauf folgenden Zweiten zu schweigen. Seit 1945 wurde unser Land von keinem Krieg heimgesucht. Dies ist ein Grund zu großer Dankbarkeit. Tragen wir durch Dienst am Gemeinwohl und praktisches Engagement zur Fortsetzung dieser günstigen Lage und dazu bei, dass latente oder manifeste Konflikte im Inneren und im Äußeren minimiert werden. Seien wir Friedensstifter, wo immer dies möglich ist, und unterstützen wir, soweit wir können, diejenigen, welche in der Politik des Inneren und des Äußeren um Wahrung und Förderung des Friedens bemüht sind. Den Kriegstreibern aber und denen, die Konflikte schüren, widersteht in der Gewissheit, dass Gott der Feindschaft feind und ein Freund des Friedens ist. So bitten wir: „Verleih uns Frieden gnädiglich, /Herr Gott, zu unsern Zeiten. / Es ist ja doch kein anderer nicht, / der für uns könnte streiten, / denn du, unser Gott, alleine.“ (EG 421)
Amen.
Bild: Günter Meister
Eine weitere Herausforderung, die die Zukunft an uns stellt, ist nach wie vor das Thema „Integration“.
So viele Menschen mussten in den vergangenen Jahren ihre Heimat verlassen aus Angst vor Krieg, Tod und Verfolgung.
Und auch wenn die öffentliche Meinung sich leider zum Teil sehr gewandelt hat: Ich finde nach wie vor, dass wir gerade als Christen stolz darauf sein können, dass wir den Hilfsbedürftigen ein freundliches Gesicht gezeigt und die Hand gereicht haben. Denn gerade auch hier sollten unser christlicher Glaube und die Worte Jesu unsere Richtschnur sein: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ [Mat. 25,40]
Wir sollten in unserem Engagement und unserer Mitmenschlichkeit auch nicht nachlassen. Denn die erste Notversorgung der Geflüchteten war ein wichtiger Schritt. Die Integration derjenigen, die dauerhaft hierbleiben und hier eine neue Heimat gefunden haben, bleibt aber nach wie vor eine große Herausforderung für die Zukunft.
Vieles ist beim Thema Flüchtlingspolitik und Integration in der Vergangenheit kritisiert worden; vieles ist undifferenziert an den Pranger gestellt worden; ich gebe auch zu: Vieles kann man sicherlich noch besser machen.
Wichtig ist aber auch, einmal herauszustellen, was gut funktioniert, wo Hilfe für Migrantinnen und Migranten wunderbar gelingt, wo Integration gelebt wird, nachhaltig, und wo aus gelebter Nächstenliebe heraus Vieles auf den Weg gebracht wird.
Wir Christen sollten hier Vorbilder sein. Denn wir haben ein gemeinsames Ziel: Uns sollte es darum gehen, angesichts der großen Zahl an Geflüchteten nicht das jeweilige Einzelschicksal aus dem Blick zu verlieren. Als Brüder und Schwestern sollten wir nicht verlernen, den einzelnen Menschen auch als Menschen wahrzunehmen, der es sich nicht ausgesucht hat, in welches Schicksal er hineingeboren wurde.
Wir Christen sollten auch in diesem schwierigen Bereich versuchen, Diener unserer Mitmenschen zu sein, denen das Wohl aller Menschen am Herzen liegt. Wir alle sind Kinder Gottes und sollten unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme mit dem Schicksal des Anderen nicht verlernen.
Das ist kein „Päckchen“, das jeder selbst zu tragen hat, sondern ein Gesamtpaket, an dem viele mitschnüren müssen – und deshalb ist es eine Gemeinschaftsaufgabe.
Integration kann nicht verordnet werden, sondern muss mit den Menschen zusammen geschehen – je näher, desto besser. Integration will und muss gelebt werden. Der Wohnort, der Stadtteil, die Nachbarschaft, die Kindergärten und Schulen, die Jugendclubs und Vereine, aber auch die vielen Arbeitsstellen sind die Orte und Räume, an denen Integration konkret und spürbar wird. Hier entscheidet sich Tag für Tag, ob Schulabschlüsse gelingen, ob eine Bewerbung erfolgreich war, ob Freundschaften entstehen und ob nachbarschaftliche Netzwerke geknüpft werden. Bereiche, in denen jede und jeder von uns seinen Beitrag leisten kann. Das sind die Fundamente für eine gelingende Integration: Teilhabe, Vertrauen, Wertschätzung und Anerkennung – mit einem Wort: „christliche Nächstenliebe“.
Heinrich von Kleist, hat einmal gesagt:
„Vertrauen und Achtung, das sind die beiden unzertrennlichen Grundpfeiler der Liebe.“ [Ende Zitat]
Achtung ist für mich immer die Achtung vor der Würde des Menschen. Diese muss in all unserem Tun die Richtschnur sein.
Vertrauen ist für mich sicherlich das Vertrauen in meine Mitmenschen.
Vor allem ist es aber ein großes Gottvertrauen – das Wissen, dass es eine Instanz gibt, die die Dinge im Letzten schon zu einem guten Ende führen wird.
Mit diesem Vertrauen können wir als Christen auch den schwierigen Herausforderungen, die die Zukunft für uns bereithält, mit Einsatzbereitschaft, Gelassenheit und frohem Mut entgegensehen.
Es gilt das gesprochene Wort!

Jegliche Differenzierungsleistung geht dabei den Bach runter, denn die Welt is komplex und nicht simpel.
Was noch ärger ist: Man vergisst, dass man nicht mit einer weißen Weste aus diesem Leben herauskommt. Wir machen uns schmutzig, wenn wir zupacken. Und: Wir sind immer iustus und peccator, zugleich gerechtfertigt und Sünder – gleich, was wir alles an Gutem und Vernünftigem tun. Diese Einsicht wünschte ich mir wieder neu. Rechtfertigung geschieht nicht auf Grund eigener Superethik, denn damit wird jeder und jede, egal wie empathisch-beseelt, krachend scheitern. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnaden: Das ist keine theologische Theorie von gestern, sondern Erkenntnis für heute. Rechtfertigung ist das Gericht Gottes, aus dem ich befreit herausgehen darf und zwar mit einem neuem Lebensstil.
Wir sind geliebt bei Gott. Niemand hat es nötig, sich dieser Welt oder ihrer Veränderung passend zu machen – und damit bloß auf die eigene Grandiosität zu schauen. Christliche Freiheit: Unsere Aufgabe ist es, Lebensgeschichten wahrzunehmen, geduldig anzuhören, damit ein Mensch erfährt, dass er so sein darf und sich auch ändern kann. Es geht darum, andere in Gottes Namen groß zu machen, sie vorkommen zu lassen, ihnen ein An-Sehen zu geben. Den Kleinen, die aus armen Familien kommen und denen, die unter Wohlstandsverwahrlosung leiden. Denen, die nicht mithalten können, sei sie nicht jung, schön oder erfolgreich sind. Es geht darum, denen ein An-Sehen zu geben, die man nicht sieht, weil sie im Dunkeln leben.
Kirche als Familie: Wir wissen, dass es eine Heilige Familie nicht gibt. Oft genug habe ich darüber gepredigt, dass Maria und Josef kein Ehepaar, dazu noch arm waren und Josef ziemliche Probleme damit hatte, dass dieses Jesuskind nicht von ihm war. Maria hat ihren Sohn später als g’spinnert beschrieben. Ich finde dieses familiäre Chaos nach wie vor erquicklich. Denn: Es zeigt, dass Gott ein Herz für unser Durcheinander hat, für das was wir so alles anrichten – sonst hätte er ja schicker und gesitteter geboren werden können. Als Menschenkind, das der Pfarrer nicht taufen wollte, weil ich, wie er sagte, ein Kind der Sünde sei, als Kind von Eltern, die der damalige Landesbischof verbot, zu trauen, fühle ich mich herrlich geliebt von Gott.
Ich werde deswegen immer ein Herz für verquere Lebensgeschichten haben. Hat er, Jesus Christus, unser Bruder, sich selbst doch genau da mitten hineinbegeben, in die manchmal verrückte Lebendigkeit unseres Lebens. Er schenkt einem das unfassbare Glück, ja zu sich selbst sagen und sich auf den Weg machen zu dürfen, ein neuer Mensch zu werden. Eine Familie zu sein, das bedeutet auch, Geheimnisse und Konflikte zu haben. Erste sind zu lösen, wenn ich mich manchmal auch wundere, in welchem Tonfall Menschen sich auseinandersetzen. Und schlimmer: Wie sie Konflikte zu ihrem eigenen Lebensinhalt machen und daran herumzerren, wie ein Hund am Knochen. Lassen wir das – denn so unversöhnlich sind wir kein Vorbild.
Die Geheimnisse, die es in einer Familie gibt, sie müssen offenbart werden. Denn sonst gibt es keine aufrichtige Kommunikation, kein redliches Miteinander untereinander und mit der Welt. Ich bin sehr froh, dass das in unserer Kirche Versagen beim Namen genannt wird – und wir uns immer wieder nach Kräften bemühen offen und ehrlich zu sein. Es braucht das Eingeständnis von Schuld, wo wir gefehlt haben: In den Missbrauchsfällen, denen wir uns spät, aber doch mit Verve zugewendet haben. Dort, wo Heimkinder malträtiert wurden, dass einem das Herz bricht. Überfällig ist, dass die Kirche aufklärt, dass und wie sie selbst Unrecht an Homosexuellen begangen hat.
Est wenn wir tatkräftig aufdecken, was verbrochen wurde, wird die Bitte um Vergebung glaubwürdig. Bitte um Vergebung, wo homosexuelle Menschen in der Kirche schlimmste Ausgrenzung und Verachtung erfahren haben. Das muss noch kommen. In einer Familie setzt sich manch einer oder eine nach solchen Erlebnissen oder aus anderen Gründen verletzt und bitter enttäuscht ab. Es wird künftig noch mehr unsere Aufgabe sein, das Herz und das Hirn von Menschen für den Herrn dieser Kirche zu gewinnen. Denn jeder und jede, der oder die geht, hinterlässt eine schmerzliche Lücke. Weniger aus finanziellen Gründen. Viel viel wichtiger ist, was uns an Gaben und Fähigkeiten dann fehlt, an Geist und Inspiration, an Kreativität und Kritik.
Das ist ein echter Jammer. In einer Familie mag man manchmal nix ändern, es soll alles so bleiben wie es ist. Traditionsbewusstsein ist wichtig. Gut ist, wenn andere, die alles neu machen wollen, sich mit den Bewahrern konstruktiv auseinandersetzen. Hauptsache, dass wir in der Kirche nicht vor lauter Anpassung an den Zeitgeist aufgeben, was uns anvertraut ist. Denn machen wir uns nichts vor: Eine Gefälligkeitstheologie interessiert wirklich niemanden. Wir müssen uns immer wieder neu klar machen, dass das Evangelium von einem Gott, der Mensch wird und sich auch noch ans Kreuz nageln lässt, eine bleibende Torheit für die Welt ist. Nix Beifall. Das ist paradox in einer Welt der selbstgemachten Helden. Aber es ist die Rettung.
We are family. Meine Überzeugung speist sich aus der Rede vom Weltgericht, wie ich sie zitiert habe. Die beste Prioritätenliste der Welt. Hungernde speisen, Dürstende tränken, Nackte kleiden, Fremde aufnehmen, Kranke, Sterbende und Gefangene besuchen, Tote bestatten. So macht man das in einer Familie, auch in einer weltweiten. Und zwar, das will ich noch einmal sagen, ohne ein Gedöns daraus zu machen. Die, die Christus am Ende der Tage an seine rechte Seite bittet, sind völlig verdutzt. Wie? Was? Wir haben doch nichts Besonderes gemacht?! Genau. We are family – da gibt‘s klar was zu essen und trinken. Da gibt es Klamotten, fair gehandelt, da freut man sich über Besuch von weit weg. Die anderen kennt man schon zur Genüge.
Man besucht die, die wirklich im Gefängnis sind oder gefangen in ihren Lebensverhältnissen. Besucht die, die krank sind und unterwegs zum ewigen Leben. Man geht auf Beerdigungen. Selbstverständlich muss einem das in Fleisch und Blut übergegangen sein. Und das ist dann eben keine Glanzleistung, mit der man sich wichtigmacht und anderen als moralischer Besserwisser auf dem Kopf herumtanzt. Sondern es ist die Liebe zu diesem Gott, der uns zuerst geliebt hat – bevor wir uns überhaupt selbst toll präsentieren konnten. Was für ein Leben, in dem man lachen und weinen, anfangen und aufhören, in dem man Erfolge haben und scheitern, wieder neu anfangen und vor allem lieben darf. Abba, lieber Vater. Vergelt‘s Gott Ihnen allen. Amen.

– es gilt das gesprochene Wort –
Auf dem Weg zur Innensanierung und Gestaltung von St. Lukas nehmen wir den Kirchenraum in einer Artikelreihe besonders in den Blick. Dieses Mal nimmt Kantor Tobias Frank Stellung zum Klangraum St. Lukas im Gespräch mit Pfarrer Helmut Gottschling.
Helmut Gottschling: „Widerhall“ heißt eine aktuelle Gesprächskonzert-Reihe, die du mit der Evangelischen Stadtakademie entwickelt hast. Wie findest Du den „Nachhall“ im Kirchenraum?
Tobias Frank: Als Organist bevorzuge ich resonante Räume. Der Nachhall ist wie ein Kleidungsstück, dass mich umhüllt. In Räumen mit großer Akustik fühle ich mich musikalisch geborgener, sie machen es mir einfacher musikalische Stimmungen zu erzeugen, machen mich kreativer und laden zu Klangspielereien ein. Der Nachhall lässt mich ein Gespür für die Größe des Raums und seine Winkel entwickeln und transportiert die Stimmung und Konzentration der Hörer. Dadurch trete ich in Kontakt mit dem Raum und dessen Atmosphäre.
Was lässt eines Musikers Herz hier in St. Lukas höherschlagen?
Als Organist ist es ein tolles Gefühl, wenn man die Finger von den Tasten nimmt und der Klang noch für kurze Zeit im Raum steht und sich allmählich in den Kuppelschalen bricht.
Die Emporen bieten viele Möglichkeiten für eine innovative chorische Aufstellung oder etwa bei Klanginstallationen die Sänger versteckt aus dem Kirchenraum heraus den Zuhörer zu überraschen.
Und was bereitet Dir als Musiker Bauchschmerzen?
Ich mag zwar die akustischen Gegebenheiten, aber der große Nachhall geht oftmals auf Kosten der Klarheit. Es gibt akustisch tote Winkel: trotz Menschen neben sich fühlt man sich beim gemeinsame Singen und Beten im Gottesdienst oft allein. So ergeht es auch dem Sänger im Chor: der Raum schluckt manches weg und unter der weiten Kuppel verpufft auch manches.
Auf dem Altar thronen nebeneinander ein Engel mit Schriftrolle und einer mit Harfe. Was heißt das aus der Sicht eines Kirchenmusikers?
Auf mich wirken sie wie die Wächter („sehr hoch auf der Zinne“) über die Einheit von Wort und Musik: beides sind gleichberechtige Werkzeuge der Verkündigung.
Was verstehst du unter sakraler Musik?
Erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden Orgeln für Konzertsäle konzipiert. So ist faktisch Orgelmusik bis dato Musik für den Kirchenraum – also Sakralmusik. Ich denke dabei eher spontan an textgebundene Musik wie etwa Kantaten, Motetten oder Passionen. Es gibt in der Orgelmusik sogenannte „Choralvorspiele“, Musik die eine Melodie eines Kirchenliedes auf kunstvolle Art verarbeitet. Auch wenn man den Text nicht hört, so tauchen vor dem inneren Auge des Hörers Sprachbilder aus dem Choraltext auf. Damit öffnet die Musik eine spirituelle Dimension.

11. November 2018, Gottesdienst in St. Lukas/München

Predigt von Prof. em. Dr. Dr. h.c. Gunther Wenz

„Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5,9)

Heute auf den Tag genau vor hundert Jahren, am 11. November 1918, endeten mit dem Waffenstillstand von Compiègne die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs; völkerrechtlich beendet wurde der Kriegszustand im Frühjahr 1919 durch den Versailler Vertrag. Zwei Tage vor dem Waffenstillstand war die Abdankung Wilhelms II., des letzten deutschen Kaisers, offiziell bekanntgegeben worden. Vorausgegangen war eine Reihe verheerender deutscher Niederlagen an der Front sowie Demonstrationen und Streiks von Hunderttausenden im Inneren, die des Krieges müde und der Monarchie überdrüssig waren.
Waffenstillstand von Compiègne: 11.11.1918
Gut vier Jahre vorher war die Stimmung sehr viel anders. Zwar begeisterten sich keineswegs alle Deutschen für den bevorstehenden Krieg. Doch gerade in bürgerlich-akademischen Kreisen war man in Teilen auf eine durchaus fanatisch zu nennende Weise fasziniert. Theologen und kirchliche Führungsschichten machten diesbezüglich keine Ausnahme. Nicht wenige Pfarrer und Kirchenobere bejubelten die Berliner Mobilmachung des Heeres am 1. August 1914 überschwänglich und proklamierten den beginnenden  Feldzug als „Heiligen Krieg“ für Volk, Vaterland und Gott. Man hielt, wofür man zu kämpfen und notfalls zu sterben gewillt war, für fraglos evident. 
Die Kriegsbegeisterung aus heutiger Perspektive zu kritisieren, ist ein wohlfeiles Unternehmen von geringem Nutzen. Weitaus nützlicher und sinnvoller ist die aktuelle Pflege der Einsicht, dass der Geist einer Zeit immer dann besonders verführerisch ist, wenn er mit der Attitüde einer Selbstverständlichkeit auftritt, die keiner weiteren Begründung zu bedürfen scheint. Manches, was sich am Ende als falsch und schlecht erweist, mutet anfänglich als problemlos richtig an, und gut Gemeintes zeitigt nicht selten böse Folgen. Dies gilt auch heutzutage. Wir sollten dies wissen und daher wachsam sein in Bezug auf die Verführungen unserer Tage, statt uns moralisch über unsere Vorfahren zu erheben. Den Sittenrichter über Vergangenes zu spielen, ist keine Kunst; ein gegenwärtiges Bewusstsein für kommende Gefahren zu entwickeln ist demgegenüber sehr viel schwieriger, aber aller Mühe wert: Wehret den Anfängen!
In den Jahren 1914 bis 1918 verloren im Zusammenhang der Kriegsereignisse schätzungsweise 17 bis 20 Millionen Menschen ihr Leben. Im Zweiten Weltkrieg wird die Gesamtzahl der Opfer mehr als doppelt so viel, ca. 50 Millionen, betragen. Im Vergleich zu dieser unfassbaren Menschenmenge, die ja keine anonyme Masse darstellt, sondern sich aus lauter Einzelnen mit je individuellem Schicksal zusammensetzt, muten die Opferzahlen des Dreißigjährigen Krieges, der vor vierhundert Jahren und mithin dreihundert Jahre vor Ende des Ersten Weltkriegs begann, fast schon gering an. Als Auslöser des damaligen Konflikts, der religiöse Kontroversen zur Voraussetzung hatte und sich zum Streit um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und anderen Teilen Europas entwickelte, wird zumeist der sog. zweite Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 angeführt.  
Prager Fenstersturz: 23.5.1618
Nach Abschluss des Westfälischen Friedens waren hierzulande weite Gebiete zerstört, einst blühende Städte ruiniert und abertausende Menschen ums Leben gekommen. Die Schätzungen schwanken, weil verlässliche Daten fehlen, zwischen 3 und 9 Millionen. Lange Zeit galten die furchtbaren Schrecken des Großen Krieges, wie man ihn nannte, als beispiellos. Es blieb der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorbehalten, sie in den Schatten zu stellen. Nie starben auch nur annähernd so viele Menschen eines gewaltsamen Todes wie in diesem Zeitraum. Diese Feststellung sollte uns skeptisch gegen einen ungebrochenen Fortschrittsglauben und zurückhaltend machen, die scheinbar aufgeklärte Moderne allzu forsch der vermeintlichen Dunkelheit des Mittelalters entgegenzusetzen. Man muss nur an die abwegigen Ideen von 1914 und – weitaus schlimmer noch – an die Ideologie des Nationalsozialismus oder eines Kommunismus stalinistischer Prägung denken, um zu erkennen, welch abgrundtiefe Finsternis in neueren Zeiten vielfach herrschte. 
Reformationsjubiläum: 1517/2017
Wir gedenken heuer des Endes des Ersten Weltkriegs 1918 und des 1618 begonnenen Dreißigjährigen Kriegs. Im letzten Jahr wurde in Kirche und Staat mit nicht geringem Aufwand der Reformation gedacht, die mit Luthers Thesen von 1517 ihren Anfang nahm. Lassen sich Bezüge zwischen den beiden Gedenkdaten herstellen, die in Hinblick auf das Thema „Krieg und Frieden“ sachlich aufschlussreich sind? Ich will einen Versuch unternehmen und zwar in Bezug auf zwei überkommene Lehren, nämlich diejenige vom sog. gerechten Krieg und diejenige von den Zwei-Reichen bzw. Regierweisen Gottes.
Was die Lehre vom bellum iustum, vom sog. gerechten Krieg betrifft, so ist sie mittelalterlicher Herkunft, wurde aber von den Reformatoren im Wesentlichen geteilt. Die Doktrin ist seit geraumer Zeit in Misskredit geraten und das nicht ohne Grund. Schon durch die Greuel des Dreißigjährigen Krieges und mehr noch durch die fürchterlichen Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie durch die globalen Bedrohungen des atomaren Zeitalters schien die alte Doktrin definitiv obsolet geworden zu sein. Ich habe auch nicht die Absicht, sie zu erneuern, bin allerdings der Meinung, dass eine bleibende Erinnerung an sie noch heutzutage von erheblichem Nutzen sein kann. Weder der Dreißigjährige Krieg noch der Erste und der Zweite wären geführt worden, hätte man sich an die grundlegenden Bestimmungen der Lehre gehalten. Auch kriegerische Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit hätte die Befolgung entsprechender Regeln verhindert. Um welche Regeln handelt es sich? 
Die Lehre vom sogenannten "gerechten Krieg"
Die Lehre unterscheidet zwischen einem ius ad bellum, einem Recht zum Krieg, und einem ius in bello, einem Recht im Krieg. Was das Recht zum Krieg anbelangt, so könne es überhaupt nur dann als gegeben erachtet werden, wenn dieser als ultima ratio, als letztes Mittel zur Bewahrung bzw. Wiederherstellung des Rechtsfriedens in äußeren Angelegenheiten gelten könne. Krieg dürfe nie die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln sein; Ausgleichsverhandlungen sei vielmehr bis zum äußersten der Vorzug vor allen kriegerischen Unternehmungen zu geben. 
Zur Legitimität eines Krieges gehört nach Maßgabe der Lehre vom gerechten Krieg des Weiteren die Aussicht auf Frieden mit dem Kriegsgegner schon zu Beginn der Kriegserklärung. Kriege, deren Ende nicht absehbar ist, haben per se als ungerecht zu gelten. Die Kriegsziele müssen entsprechend präzise und in einer Weise gefasst werden, dass sie falsifizierbar sind. Die eingesetzten kriegerischen Mittel hinwiederum haben verhältnismäßig und mithin so zu sein, dass sie die Beendbarkeit des Krieges gewährleisten und verhindern können, dass dieser auf unbegrenzte Dauer gestellt wird. Wollt ihr den totalen Krieg? Nein, antwortet die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg, niemals; denn die Totalisierung eines Krieges zu wollen, ist in sich verkehrt und sündig. 
Kriegerische Totalisierung ist Sünde vor Gott. Sündig ist es folgerichtig auch, einen Krieg religiös zu begründen und im Namen Gottes führen zu wollen. Jeder Religionskrieg ist in sich ungerecht, weil er zwangsläufig zur Totalisierung tendiert und tendenzielle Einhegung der Kriegsführung sowie der Limitierung ihrer Ziele entgegenwirkt. Das ius in bello, das Recht im Krieg hat sich, so die traditionelle Lehre, an diesen Vorgaben auszurichten, namentlich durch Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit der angewandten militärischen Mittel, der Unterscheidung von Soldaten und Zivilisten und der Vermeidung dessen, was man euphemistisch Kollateralschäden nennt. 
Können Kriegsleute in einem seligen Stande sein? In einer Schrift zum Thema aus dem Jahr 1526 bejahte Martin Luther diese Frage, schärfte aber zugleich unter Bezug auf die mittelalterliche Lehre vom gerechten Krieg ein, dass jeder aus religiösen Motiven geführte und mangels klar begrenzter Ziele zur Totalisierung tendierende Krieg zu verwerfen und zu verdammen sei. Den Hintergrund seiner Argumentation bildete seine Lehre von den zwei Reichen, besser: von den zwei Regimenten und Regierweisen Gottes. An sie ist zum zweiten zu erinnern, um einen Sachbezug zwischen den Gedenkdaten 1517, 1618 und 1918 bezüglich der Problematik von Krieg und Frieden herzustellen.
Die sogenannte Zwei-Reiche-Lehre
Martin Luther trennt nicht, aber unterscheidet sorgsam zwischen zwei Reichen, Regimenten bzw. Regierweisen Gottes. Im Reich zur Rechten regiert Gott in der Kraft seines Geistes durch das Evangelium, das Jesus Christus, der für uns Gestorbene und Auferstandene, in Person ist. 

Kanzelrede in St. Lukas am 7. April 2019
von Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags a.D.

„Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“
Diese Botschaft des heutigen Evangeliums war nicht nur für Jakobus und Johannes, die doch zu den engsten Jüngern Jesu gehörten, eine Zumutung.
Sie ist bis heute ein Anspruch an die Menschen, der vielem widerspricht, was sonst doch allgemein gefordert und erwartet wird – nicht nur von Politikerinnen und Politikern, sondern von uns allen. Ich nenne nur einige Schlagworte:
Stärke, Durchsetzungsvermögen, Machtinstinkt, Ehrgeiz.
Dass man diese vermeintlichen Tugenden über Bord werfen soll, dass man seine eigene Person und seine persönlichen Ambitionen vollständig hintanstellen soll, das wirkt in der heutigen Zeit für viele Menschen doch sehr befremdlich.
Und doch ist dies der Kern des heutigen Evangeliums, der Kern der christlichen Botschaft vom Herrschen und Dienen. Denn das Herrschen wird hier gleichgesetzt mit Unterdrückung und Gewalt.
Wer sich hingegen als Diener seiner Mitmenschen begreift, zeigt wahre Größe und wird „der Erste“ sein.
Auch der Kirchenvater Augustinus hat vor dem Herrscherwillen des Menschen mit sehr eindringlichen Worten gewarnt, als er sagte:
„Die Sucht zu herrschen, stürzt das Menschengeschlecht in großes Unglück und bringt es an den Rand des Verderbens.“
Und vor allem Jesus selbst will Vorbild sein und sagt zu seinen Jüngern:
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene (…).“
Wenn man sich nun die Frage stellt, wie uns das Christentum für die zukünftigen Herausforderungen Hilfestellung und Leitfaden sein kann, ist dieser Blick auf das Herrschen und Dienen unheimlich wertvoll.
An einigen Beispielen kann man dies sicherlich gut verdeutlichen.
Eine der ganz großen Herausforderungen der Zukunft ist das Thema Digitalisierung und künstliche Intelligenz.
Diese Entwicklungen bringen ganz enorme Veränderungen für uns Menschen mit sich – Veränderungen, die einige mit Optimismus sehen, sehr viele aber auch mit großer Sorge.
Die Menschen fragen sich:
„Bin ich diesen neuen Techniken überhaupt gewachsen, kann ich damit umgehen?“
Viele haben auch existenzielle Sorgen: „Werde ich überhaupt noch gebraucht oder wird meine Arbeitskraft demnächst vielleicht durch einen Roboter ersetzt?“
Angesichts der großen Neuerungen, die die digitale Revolution mit sich bringt, kann für uns die Frage nach dem Verhältnis von Herrschen und Dienen ein wichtiger Leitfaden sein.
Wir sollten uns immer fragen:
Ist die Technik dafür da, den Menschen zu dienen und sie in ihrem Mensch-Sein zu unterstützen. Oder ist es vielleicht inzwischen manchmal so, dass die Technik eher die Menschen beherrscht?
Wenn man teilweise sieht, wie die Menschen durch die Straßen laufen oder in der Bahn sitzen – die Augen zwanghaft auf ihr Smartphone gerichtet – dann kann man schon den Eindruck bekommen, dass da etwas aus dem Lot geraten ist. Und man fragt sich: „Wer beherrscht hier eigentlich wen?“
Bei diesen Entwicklungen gilt es sehr wachsam zu sein!
Und besonders wachsam muss man stellvertretend für diejenigen Menschen sein, die solch einer Entwicklung gegenüber hilflos ausgeliefert sind.
Dies ist vor allem zu Beginn des Lebens und am Lebensabend der Fall: Wenn Menschen auf fremde Hilfe und Unterstützung angewiesen sind und jemanden brauchen, der sich um sie kümmert.
Blicken wir zunächst auf die Kinder, die oft schon sehr früh mit den neuen Medien in Kontakt kommen und nun auch möglichst flächendeckend in sogenannten „digitalen Klassenzimmern“ unterrichtet werden sollen.
Natürlich ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernen, mit diesen Techniken umzugehen. Und natürlich können moderne Medien bestimmte Unterrichtsinhalte besonders anschaulich darstellen.
Aber ich sage immer: „Die Kinder sollten schon auch noch blättern und nicht nur wischen.“
Und Lehrer und Lehrerinnen aus Fleisch und Blut, die ihre Schülerinnen kennen und emotionale Bezugspersonen sind, können niemals durch ein I-Pad ersetzt werden.
Und kein Computer-Programm dieser Welt kann den jungen Menschen Gemeinschaftssinn, gegenseitige Rücksichtnahme und soziales Miteinander beibringen.
Diese Werte sind nicht nur für uns Christen die Richtschnur, sondern sie sind auch insgesamt das Fundament für unsere ganze Gesellschaft.
Und diese Werte lernen die Kinder nur in der Gemeinschaft und im Miteinander.
Der Dichter Novalis hat diese Erkenntnis bereits vor über 200 Jahren in die schönen Worte geformt:
„Das Menschsein lernt der Mensch nur am Menschen.“
Und genauso ist es auch bei den Älteren in unserem Land, gerade auch bei denjenigen, die auf Hilfe und Pflege angewiesen sind. Natürlich kann es eine enorme Erleichterung für eine Pflegekraft sein, wenn sie beim Heben ihrer Patienten eine technische Unterstützung hat, die ihren Rücken und ihre Gesundheit schont.
Aber die Vorstellung, dass sogenannte „Pflegeroboter“ die Lösung sein sollen, weil es nicht mehr genug Pflegepersonal gibt, ist – nicht nur für mich – zutiefst unmenschlich. Denn ein Pflegeroboter ersetzt nicht die warme, mitfühlende Hand eines Mitmenschen.
Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir als Menschen die Technik als Hilfsmittel sehen und nicht selbst zu Dienern der Technik werden, dann können wir selbst auch unsererseits Dienende für unsere Mitmenschen sein.
Aufzeichnung des Gottesdienstes in der BR Mediathek 17.11.2019, 15:00 Uhr
"Unterwegs im Auftrag des Herrn" war Susanne Breit-Keßler viele Jahre als Regionalbischöfin von München und Oberbayern, als ständige Vertreterin des Landesbischofs, als Fernseh- und Rundfunkpredigerin und in vielen weiteren Ämtern. In diesem Gottesdienst predigte sie ein letztes Mal vor ihrem Ruhestand in ihrer Predigtkirche St. Lukas. Festliche Musik und Lieder sind zu hören, darunter das zu Herzen gehende "Highland Cathedral" und auf die Melodie von Edward Elgars "Land of Hope and Glory": "Pilger sind wir Menschen".
Mitwirkende: Regionalbischöfin Susanne Breit Keßler, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Pfarrer Helmut Gottschling, Nina Gläser, Orgel: Lukaskantor Tobias Frank, Dekanatsposaunenchor: Leitung Dr. Michael Kurzmann
Hier die Predigt von Susanne Breit-Keßler zum Nachlesen:
Liebe Gemeinde,
programmatisch habe ich mein Amt vor 18 Jahren mit einem Song aus dem jetzt fast vierzig Jahre alten Film Blues Brothers überschrieben. „Wir sind im Auftrag des Hern unterwegs“ sagen die beiden Brüder Jake und Elwood, die in kurzer Zeit 5000 Dollar auftreiben müssen. Sie sollen die Schließung eines Waisenhauses wegen Steuerschulden der Klosterschwestern verhindern. Die beiden überreden alte Mitmusiker, ein letztes Konzert zu geben. Viel geht schief und sie landen, gejagt von amoklaufenden Ex-Freundinnen, erbosten Countrymusikern und Neonazis sowie einer Armada aus Polizei und Militär, im Knast. Bei Verfolgungsjagden wurden 100 Polizeiautos und ein komplettes Einkaufszentrum geschrottet. Sowas habe ich echt nicht gemacht.
Aber vieles davon beschreibt das Aufgabenfeld einer Regionalbischöfin, die sich auftragsgemäß dieser Welt widmet. Denn Gott ist keiner, der auf sich hocken bleibt, auf einem jenseitigen himmlischen Thron, sondern der sich aufmacht in die Welt, um in Jesus Christus Mensch zu werden. Und der offenbar wünscht, dass wir ihm nachfolgen. Also uns um das Scheitern von Beziehungen bekümmern, um Schulden und Schuld, um Künstler, die den Dialog mit Kirche suchen. Politische Auseinandersetzungen wagen, Position gegen den elenden Antisemitismus von links und rechts beziehen. Nachfolge heißt, Besuche bei unserer Polizei und beim Militär zu machen. In die Justizvollzugsanstalten gehen, Kranke und Sterbende besuchen.
Hunger und Durst stillen, Nackte bekleiden, für Wohnungslose sorgen, Fremde aufnehmen. Mit Fröhlichen in der Kirche feiern, mit Trauernden am Grab weinen. Letztlich ist Kirche pure Diakonie, Dienst an der Seele und umsichtige, respektvolle Sorge für den Leib. Natürlich gehören zum Auftrag des Herrn auch herzliche Begegnungen mit Schwesterkirchen und den geistlichen Orden, die mir insbesondere in Gestalt der Pallottiner und Benediktiner zu überaus lieben Freunden geworden sind – genauso wie unsere anglikanischen Freunde mit ihrem unfassbaren Humor. Gut, den brauchen sie auch.
Im Auftrag des Herrn unterwegs sein, das Evangelium von der unendlichen Liebe Gottes in Wort und Tat zu verkündigen – das braucht Leidenschaft, passioniertes Engagement, die Kraft, mit Crashes, mit Scheitern umzugehen. Auch mit dem eigenen. Ich bitte alle, denen ich vielleicht Unrecht getan habe, denen ich nicht genügend Zeit, Aufmerksamkeit oder Respekt gewidmet und erwiesen habe, aufrichtig um Verzeihung. Der Gott, der uns ohne Vorbedingungen liebt, macht es uns möglich, uns selbst genau anzuschauen – und zu sehen, wie wir sind, mit all unseren guten und den wenig glanzvollen Seiten. Es ist erschreckend und beglückend zugleich, der eigenen Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Erschreckend, erschütternd, bewegend, weil der Mensch, der man ist, tatsächlich, wirklich Gottes geliebter Mensch sein darf – und beglückend, weil jeder und jede von uns darauf hin immer wieder neu, getrost und zuversichtlich ins Leben starten kann. Im Auftrag des Herrn unterwegs. Jake und Elwood Blues sind Brüder. In der Kirche bezeichnen wir uns gerne als Geschwister. Als Motto über dem Ende meiner Aufgabe steht ebenfalls ein Songtitel: „We are Family“ aus dem „Käfig voller Narren“. Das sollte kein Anlass für falsche Spekulationen über den Zustand der Kirche sein. Gleichzeitig – warum nicht? „Das Wort vom Kreuz ist der Welt eine Torheit“, sagt der Apostel Paulus.
Ein Gott, der sich nicht als Held feiern lässt, als Superstar, sondern der sich herabbeugt unrund, der sich gnädig erweist, wenn es zum Gotterbarmen ist, der kann ja nur daneben liegen in einer Welt, die das Tollsein auf ihre Weise zum Maßstab menschlicher Existenz gemacht hat. Schnäppchenjäger etwa freuen sich, wenn sie billige Nahrung, Kleidung und Möbel finden. Geiz ist geil. Nein, Geiz ist gemein. Wer mich kennt, weiß, dass ich für fair produzierte und gehandelte Textilien eintrete. Für Teppiche, Fußbälle und Grabsteine ohne Kinderarbeit. Für einwandfreie Lieferketten. Ich werde mich dem künftig noch sehr viel intensiver widmen, weil ich nichts haben und nutzen will, für das andere ihr Leben geben müssen.
Wir leben in einem der reichsten und inzwischen friedlichsten Länder der Welt – es kann und darf uns nicht kalt lassen, wenn anderswo Menschen hungern, leiden und in Kriegen sterben. Es geht uns etwas an, wir müssen uns kümmern, weil das alles unsere Schwestern und Brüder sind. Gottes Ebenbilder wie wir. Als weltweite Familie sind wir aufeinander in Liebe gewiesen im Namen Jesu Christi. Nicht so, dass wir mit unserem eigenen ethischen Handeln den Bekenntnisstand ausrufen – nach dem Motto: Nur wenn wir dies oder das tun, liegen wir absolut richtig. Alles andere ist falsch und böse.
Der Autor und freie Künstler Björn Bicker, lange Jahre an den Münchner Kammerspielen tätig, machte sich mit der Kanzelrede 2018 in St. Lukas auf die Suche nach dem Heiligen. Kirchenräume sind für ihn wie Konkons von Schmetterlingen, kurz davor, sich zu entpuppen und etwas Neues zu werden. Bicker wagt in seiner Kanzelrede einen unkirchlichen Blick auf den kirchlichen Raum.  
Die Kanzelrede in St. Lukas: Einmal im Jahr lädt St. Lukas einen Menschen des öffentlichen Lebens ein, aus seinem Glauben heraus und mit dem je eigenen fachlichen und persönlichen Hintergrund in einer Kanzelrede im Gottesdienst Stellung zu nehmen. So sprachen unter anderem Imam Benjamin Idriz zum Thema Toleranz, Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse zu „Glaube und Politik“, Theaterintendant Christian Stückl zu „Bild und Religion“ und Journalist und Autor Heribert Prantl zu „Zuflucht in bewegten Zeiten“.

Mitwirkende: Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler (Predigt), Pfarrerin Beate Frankenberger (Liturgie), Tobias Frank (Musikalische Leitung), Uli Wangenheim (Saxofon), Schola St. Lukas (Gesang), Heinrich Lüneburg (Kantor), Stefan Hienzsch (Lektor), Stefan Hunstein (Sprecher).

Gesendet im BR Fernsehen am 25.12.2017, 10:00 Uhr
Jetzt ansehen in der BR-Mediathek (verfügbar bis 25.12.2018)

Alle Jahre wieder erzählt uns die Weihnachtsgeschichte, dass mit der Geburt Jesu Christi der Friede auf die Erde kommt, „den Menschen ein Wohlgefallen.“ Das Alte Testament spricht vom „Friedefürst“, davon, dass er der Friede ist und die christlichen Gemeinden singen seitdem nicht nur an Weihnachten davon, sondern in jedem Gottesdienst im großen Gloria. Nur: Wo bleibt er denn, der Friede? Wo können wir ihn erleben? Wie ihm behilflich sein? Zwischen Paaren, mit den eigenen Kindern, zwischen Bruder und Schwester, zwischen Nationen und Völkern, zwischen Menschen mit unterschiedlicher politischer Meinung – überall tut der Friede not.
Die Predigt von Regionalbischöfin Breit-Keßler finden sie hier zum Nachlesen.

Foto: privat/D. Stachowitz

Am 31. Oktober 2017 feierte die evangelische Kirche 500 Jahre Reformation. Den Höhepunkt des Festes in München bildete der zentrale Reformationsgottesdienst in St. Lukas. Den Gottesdienst mit dem Titel "Evangelisch sein – mit allen Sinnen und dem Verstand" feierten Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, Stadtdekanin Barbara Kittelberger und Pfarrer Helmut Gottschling.

Das Programm des Gottesdienstes finden Sie hier zum Nachlesen.

Foto: St. Lukas/E. BeimesFoto: ELKB/Joh. MinkusFoto: ELKB/Joh. MinkusFoto: ELKB/Joh. MinkusFoto: St. Lukas/E. BeimesFoto: ELKB/Joh. MinkusFoto: privat/D. StachowitzFoto: St. Lukas/E. BeimesFoto: ELKB/Joh. MinkusFoto: ELKB/Joh. Minkus

Die Predigt der Regionalbischöfin finden Sie hier zum Nachlesen und können sie auch als PDF herunterladen:

Liebe festliche Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!

Nomen est omen, der Name hat eine Vorbedeutung. So sagt man. Das gilt etwa für Vornamen, die Eltern ihren Kindern mitgeben und darauf hoffen, dass Siegfried ein Held und Jaqueline die Frau eines reichen Reeders wird. Kevin soll es zuhause auch allein schaffen und Celine zwar toll singen, aber möglichst nicht mit einem Schiff untergehen. Natürlich gibt es auch kleinräumigere Lösungen wie Susanne, von der man vielleicht bloß erwartet, dass sie lernt, sich durchzusetzen. Wie auch immer.

Wir feiern Reformationstag in einem Jahr, dem vorab und während der vergangenen Monate verschiedene Namen gegeben wurden und noch werden. 2017: Lutherjahr. Reformationsjubiläum. Christusjahr. Alle diese Namen drücken etwas aus davon, was wir mit Reformation und den Einsichten des Reformators Martin Luthers verbinden. Und ich sage gleich, dass alle Einiges für sich haben, vor allem, wenn man gründlich nachdenkt, statt sich in argumentationsfreier Emotionalisierung zu üben.

Fangen wir mit Lutherjahr an. Vermutlich wäre der Reformator mit diesem Namen am wenigsten einverstanden. Heldenverehrung war ihm gerade fremd. Er war skrupulös und grüblerisch, zermarterte sich sein Gehirn, was fast als protestantische Genbestimmung bezeichnet werden kann. Er war ein „german Tiefdenker“ wie der amerikanische Soziologe Peter L. Berger uns beschreibt. Für sein freimütiges Bekenntnis, für die Weigerung, theologische Grundeinsichten zu widerrufen, hat Luther sein Leben riskiert.

Lutherjahr. Warum nicht! Er war es doch, der höchst modern darauf hingewiesen hat, dass man sich selbst nicht entkommt und sich auch – ja, verdammt nochmal – nicht freikaufen kann von eigener Verantwortung, nicht aus eigener Kraft loskommt vom Sosein. Er schrieb und predigte um sein und unser Leben. Luther gab alles, damit wir nicht verloren gehen in Kämpfen und Krämpfen, um gut dazustehen und uns der Welt und dem lieben Gott angenehm und passend zu machen.

Stocksauer war er darüber, dass sich Gläubige mit dem Ablass freikaufen können sollten. Wer nicht zahlte, durfte schon mal mit Fegefeuerqualen rechnen. Da stimmt das Sprichwort „ wer die Wahl hat“ – und nicht blecht – „hat die Qual“. Die vollkommen verkommene mittelalterliche Kirche bot ein Rundum-Sorglos-Paket an: Man konnte Ablass kaufen für begangene wie zukünftige Sünden und die der verstorbenen Angehörigen. Und das alles, dieser ganze Heidenspaß, für eine Gebäudesanierung in Rom.

Ein einziges Mönchlein hat den Mut, dagegen aufzustehen. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen. Und eben nicht, um sich wichtig zu machen. Sondern weil er sich schon halbe Ewigkeiten mit der Frage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ herumschlug und Antworten fand. Er hatte Übung darin, Germanys Next Top Monk zu werden – indem er durch selbst auferlegte Gebote und Verbote, Verhaltensregeln und Gehorsam die Selbstvervollkommnung anstrebte.

Luther trieb es auf die Spitze, indem er viel öfter zur Beichte ging als es die Ordensregeln vorsahen. In seinem Perfektionismus ähnelt Luther dem Apostel Paulus, der auch keine halben Sachen macht. Wenn er die Christen verfolgt, dann stellt er ihnen unbarmherzig nach. Wenn er Christus nachfolgt, dann in aller Konsequenz und ohne Rücksicht auf die Gefahr, die das für sein Leben bedeutet. Luther wird angetrieben durch die Angst vor Gott, der ihn für seine Sünden strafen würde, gequält von seiner Angst, nicht zu genügen.

Wenn du dir die Möbelkataloge anschaust. Da hauts dir doch den Vogel raus. Küchen wie Kathedralen, der Kochblock in der Mitte als Altar, und die modelgleiche Dame des Hauses steht einsam dahinter und lächelt. Lebenstraum erfüllt, erledigt, alles klar. Wenn das Glück ist… na servus.

Und Besuch hams auch keinen, weil keiner rausfahren will, aufs Land, um die zu besuchen. Zumindest ich nicht. Weil ich dann immer alles bewundern muss, ich hab aber nur einen ganz geringen Vorrat an Bewunderung. Unglaublich diese Sitzgarnitur, und der Teppich, phantastisch. „Und sogar ein Spiegel im Bad, toll!“ Mehr geht nicht.

Das gleiche mit den Urlaubskatalogen. Herrlicher Strand, Swimmingpool, Essensbüffet, schöne Zimmer.

Ja, das nutzt mich doch nix, wenn ich lauter Deppen um mich herum hab. Lauter oberflächige Gscheidhaferl, nix im Hirn aber Sprüch machen. Das ist doch kein Urlaub!

„Der Mensch ist gut, aber die Leit san bläd!“    hat der Valentin schon gesagt.

Und alle wollen immer ihr Leben planen, ihr Glück planen. Also, Sie nicht und ich nicht, aber die Anderen.

Mir gefiel auch immer der Satz: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen!“ Immer die Jagd nach dem Glück um irgendwann zufrieden zu sein. Vielleicht ist das einfach die falsche Reihenfolge.

Die Elektronik tut ihr Übriges. Wenn es in den Nachrichten interessant wird, heißt es immer gleich:“ Wenn sie mehr darüber wissen wollen, schauen sie nach unter www.ZDF-INFO.de. Der Ratschlag des Jahrhunderts. Wenn du was wissen willst, schau nach. Diese Haltung verbreitet sich überall. Ich hoffe nur nicht in der Kirche. Dass der Pfarrer oder die Pastorin auf die Kanzel geht und sagt: „wir sind alle Sünder…wenn sie mehr darüber wissen wollen, schauen sie nach unter www.Bibel.de. Das war dann die Predigt.

Auf der Straße treffe ich einen Bekannten: „Und, wie geht’s? „Er geht weiter und sagt:“ Schaug hoit nach!“ In London gibt es an den Straßenlaternen Polster in Kopfhöhe, damit sich die narrischen Smartphonebenutzer beim Gehen nicht den Schädel verletzen.

Im Februar ist meine Mutter Gestorben. Mit 91 Jahren, friedlich eingeschlafen im Seniorenwohnheim St. Elisabeth. Eine kluge Frau, spielte Geige, Bratsche Klavier kannte alle Sonaten, Symphonien und Opern auswendig. Ein langes Leben. Wir saßen immer unten im Café vom Seniorenheim, redeten und lachten. Wir grüßten immer alle anderen im Café, die auch immer da waren. Den Herrn Reisinger, das wandelnde Lexikon, die ruhige Frau Meier, immer gepflegt und witzig, die Frau Hausmann sowieso, die mit ihren 70 Jahren ehrenamtlich das Café am Laufen hält.

Ich fahre immer noch hin, und besuche diese Leute die mir mit ihrer Eigenart ans Herz gewachsen sind. Nicht weil ich so nett bin, ich so ein Gutmensch sein will, nein, gar nicht, ich blühe bei diesen Menschen auf, mit ihrer Art ihrer Erfahrung und meiner und dem was daraus entsteht. Das ist Leben.

So wichtig wie diese Kirche, ist da draußen das Leben, die Menschen, die Begegnungen, das ist auch unsere Kirche, die Glückseligkeit der Momente. Jeden Tag, den Gott uns schenkt.

Ich gehe durchs Leben und Gott begleitet mich. Das weiß ich. Dass ich auch vom Kopf her glaube, ist auch wichtig, aber es zu wissen, das ist das schönste. Manchmal, wenn wir uns unterhalten, im Gebet, und ich werde mir in diesen Gesprächen oft meiner Lächerlichkeit bewusst, so, dass ich selber lachen muss, habe ich das Gefühl, er lacht mit, und das hilft mir sehr, dieses Gefühl, der Vertrautheit!“

Ich wünsche ihnen allen ein gutes Leben Und vielleicht treffen wir uns ja mal auf der Straße, beim Gemüsehändler oder beim Pfister."

Das hat meine eigene Vision von Kirche geprägt. Ich hatte das Glück, immer wieder Experimente initiieren oder begleiten zu können, wo wir neue Formen von Kirche inmitten der großen alten Kirche erforscht und erlebt haben. Als junger Pfarrer in der Innenstadt von Nürnberg gründete ich den „Lorenzer Laden“, der bis heute existiert: eine Basisgemeinde mit Eine-Welt-Engagement und einer Anlaufstelle für einsame und angeschlagene Menschen. Hier gab/gibt es keine steile Hierarchie. Das starke Zusammengehörigkeitsgefühl führte nicht zur Abkapselung, sondern zu großer Offenheit für Suchende und für die brennenden Weltprobleme. Später war ich stellvertretender Leiter des Gemeindekollegs der Vereinigten Evangelisch Lutherischen Kirche in Celle. Dort haben wir Modelle der Gemeindeerneuerung erprobt und zum Beispiel die Thomasmesse aus Finnland entdeckt und in Deutschland implantiert. Schließlich passte unser Kurs der Kirchenleitung nicht, vor allem nicht unser starkes Engagement für ein neues Miteinander von Theologen und Laien auf Augenhöhe. Wir mussten gehen. Das war ein große Glück für mich: Denn ich konnte mich ein Jahr lang in ein katholisches Meditationshaus in Oberfranken zurückziehen, dort mitleben und selbst eine schmerzhafte und heilsame innere Wandlung erleben.
Im Anschluss ging ich nach München, wo mein alter Freund und Weggefährte Tilmann Haberer Pfarrer an St. Lukas war. Dort war Ende der 90 Jahre ungeheuer viel Neues aufgebrochen, Kirche nach meinem Herzen: Zuwendung zu Obdachlosen mit Brunch und Kirchenkeller, der Lukasladen als Ort des Gesprächs und des fairen Handels, die Thomasmesse mit ihren wunderbaren Ritualen des Salbens und Segnens und mit ihrer Entdeckung des „Priestertums aller Glaubenden“, die grandiosen Chöre, nicht zuletzt der Gospelchor. Das passte alles zusammen irgendwie – und als eine halbe Pfarrstelle frei wurde, sagte ich gerne Ja. Schon bald lud ich zusammen mit Klara Koller im Gemeindehaus zu einer Einführung in die christliche Meditation (Herzensgebet) ein. Als dann St. Martin frei wurde, weil Pfarrer Steinlein in den Ruhestand ging, entwickelte ich 2002 das Konzept eines Spirituellen Zentrums. Die Landeskirche stimmte zu. Und so habe ich die letzten 13 Jahre meiner Dienstzeit damit verbracht, versteckt in einem Hinterhof im Glockenbachviertel noch einmal zu experimentieren. „Schweigen – Reden – Handeln“ war und ist unser Motto.“ Viele „Kirchenferne“ gehören zu denen, die bei uns andocken. Sie erfahren Kirche als Ort der Stille, des offenen und freien Austauschs, der geistlichen Vertiefung und Reifung. Sie erleben Seminare und Kurse, Begleitung von Pilgern und von Suchenden, Aus- und Fortbildung von „Ehrenamtlichen“ zur Meditationsanleitung oder zur Arbeit mit spirituellen Persönlichkeitsmodellen wie dem Enneagramm.
Die Landeskirche ist inzwischen dabei, Meditation und andere geistliche Übungen in die Mitte der Kirche zu integrieren. Mystik ist keine Deko, sondern das Herz des Glaubens. Gemeinden müssen noch viel stärker zu Orten der geistlichen Erfahrung und Begleitung werden, Pfarrerinnen und Pfarrer müssen künftig so ausgebildet werden, dass sie suchende Menschen in das Geheimnis des Glaubens einführen können. Sie müssen „Mystagogen“ werden. Das hat der Theologe Manfred Josuittis schon vor 30 Jahren gesagt. Und Friedrich Schleiermacher schon vor 150 Jahren: Pfarrer hätten die Aufgabe, „religiöse Virtuosen“ zu sein, also selbst das erfahren zu haben und zu leben, was sie verkünden.
Das ist meine Vision für die Zukunft der Kirche: Die Kirche muss immer wieder erneuert werden. Vermutlich wird sie künftig kleiner und ärmer, aber dadurch eine echte Gegenkultur in einer Welt von Leistung, Materialismus und Selbstoptimierung. Ein Ort der Sinnstiftung und des gemeinsamen Handelns. Ein Ort, wo hie und da die Kräfte des Reiches Gottes sichtbar und spürbar werden. So ehren wir Gott. Gott allein!
Dies wird in besonderer Weise deutlich an den beiden wichtigsten Glaubensbekenntnissen, die wir bis heute in der Liturgie beten. Während das Apostolische Glaubensbekenntnis, das im Kern ein altes Taufbekenntnis ist, mit den Worten „Ich glaube“ beginnt, stellt das Große Glaubensbekenntnis, um das über Jahrhunderte in Konzilien und Synoden gerungen wurde, die Worte „Wir glauben“ an den Anfang. Persönlicher Glaube und das Glauben in einer Gemeinschaft gehören von Anfang an zusammen. Es ist ja auch nicht so, dass einem der Glaube im luftleeren Raum begegnet. Es sind Menschen, die von ihrem Glauben erzählen, an denen man die Kraft des Glaubens erfährt und die einen auf dem eigenen Glaubensweg begleiten.
Das ist eine der Grundkonstitutionen dessen, was wir Kirche nennen: die Gemeinschaft der Glaubenden. Deswegen werden in der katholischen Liturgie der Erwachsenentaufe die Taufbewerber gefragt: „Was erbittest du von der Kirche?“. Und die Antwort lautet „Den Glauben“. Der Glaube des Einzelnen verdankt sich auch einer Gemeinschaft der Glaubenden, und führt in einer gewissen Weise auch in diese Gemeinschaft hinein und wird von ihr mitgetragen.
Papst Benedikt XVI. hat es auf die schöne Formel gebracht: „Wer glaubt, ist nie allein“. Für mich liegt darin eine große Entlastung: Ich bin – auch als Bischof – in meinem Glauben nie allein. Ich darf mich von anderen her stärken lassen für meinen persönlichen Glaubensweg, der auch nicht immer einfach ist. So wie jede noch so große Liebe auch durch Zeiten der Bewährung führt, so gibt es wohl in jeder Glaubensbiographie Zeiten der Dürre und der scheinbaren Einsamkeit. Wie gut ist es da, sich von einer glaubenden Gemeinschaft tragen und stärken zu lassen.
Und noch ein letztes: Natürlich begegnet mir auf diesem Weg des Glaubens in einer Gemeinschaft auch der Glaube der Kirche in einem inhaltlichen Sinne – die große Tradition dessen, was die Kirche über die Jahrhunderte als wesentlich und als Kern des christlichen Glaubens erkannt hat. Und ich stehe vor der Herausforderung, mich dazu zu positionieren. Mir ist bewusst, dass gerade dieser Punkt für viele schwierig klingt, ja nach einem Widerspruch dessen, was zu Beginn über den persönlichen Glauben gesagt wurde.
Deshalb will ich einen vielleicht gewagten Vergleich versuchen: Wie wäre es, diese reiche Fülle an menschlichen Erfahrungen, an Reflexion über das Leben des Menschen und über seine Beziehung zu Gott als eine einzige Sammlung von Liebesgeschichten zu verstehen? Als ein Schatz an Erfahrungen, bei denen Menschen einander über die Jahrhunderte davon erzählen, was in ihrer Erfahrung die Liebe zwischen ihnen und Gott getragen hat und weiter tragen wird. Als gesammelte Lebensgeschichten, die je eigene Erfahrungen berichten und diese hilfreich fruchtbar machen wollen für das persönliche Glauben. Als wohlwollende schützende Begleitung, die der eigenen Beziehung zu Gott dienen will. Natürlich wird einem manches aus diesem Schatz der Jahrhunderte fremd bleiben, vielleicht sogar nicht dienlich erscheinen. Aber zeigt nicht auch die eigene Lebensgeschichte, dass viele Dinge, die uns in bestimmten Lebensphasen prägen, in anderen Phasen fremd werden und umgekehrt?
Ein wenig scheint es mir so auch mit dem Glauben der Kirche: Auch da gibt es vieles, was mich trägt, prägt und was ich als tiefe Bestärkung erfahre. Und dann gibt es einiges, das mich herausfordert, das mich Fragen stellen, ja ringen lässt. Und nicht zuletzt gibt es auch manches, das mir fremd bleibt, das mir wenig sagt. Doch gerade diese herausfordernden Punkte empfinde ich als etwas sehr Heilsames, weil sie mich immer wieder davor bewahren, es mir auf meinem Glaubensweg allzu bequem zu machen. Natürlich bedeutet das nicht, dass es darum geht, alles gut und richtig zu finden. Ganz im Gegenteil: Damit der Schatz des Glaubens ein lebendiges Buch der Liebe Gottes mit den Menschen bleibt, bedarf es auch immer wieder der Überprüfung, des heilsamen Widerspruches und des Hinweises auf eine rechte „Hierarchie der Wahrheiten“. Dabei ist Martin Luther auch heute ein anregender und hilfreicher Wegbegleiter.

Ein andermal Feste feiern in des Wortes doppelter Bedeutung. Wer, wenn nicht wir, sollte positive, tapfere, zuversichtliche, getroste Ausstrahlung haben! "Ich will leben und ihr sollt auch leben" sagt Jesus. Wer daran festhält, der holt daraus den langen Atem der Geduld, hält durch und bleibt mit Gott in Bewegung. Scheitern, Fehlschläge gehören zum Leben dazu. Wer aber Träume unterdrückt und Hoffnungen verhindert, bis sie unmöglich geworden sind, der trampelt alles an Gott gegebenen Möglichkeiten kaputt.

Das meint Jesus wohl, wenn er sagt: "alle Sünde und Lästerung wird dem Menschen vergeben, aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben" (Mt 12,31). Wer Gott nichts mehr zutraut, wer sich und andere, wer die Kirche aufgibt, der findet keine Vergebung, der kriegt keine Chance zu einem Neuanfang. Das ist nicht moralisch, sondern lebensnah. Es ist dumm, dem göttlichen Geist zu misstrauen, der unabhängig von uns weht, wo er will, der pure Freiheit als Kontrast zu unserer zeitweisen Enge und Begrenztheit ist.

Dumm, über diesen Geist zu spotten, ihn abzutun – wird eh nix!, no way, no chance -, dann sehen wir bald wirklich alt aus. Wer das für unmöglich hält, dem wird das nicht vergeben, das heißt, er straft sich selber damit. Das fängt schon an, wenn man sich immer nur das Allerschlimmste ausmalt, sich den wildesten Ängsten hingibt, – um dann irgendwann zu merken, dass man so kostbare Lebenszeit vertan hat. Und wer will schon zu einer Kirche gehören, in der die Jammerlappen das Sagen haben.

Reformationsjubiläum. Semper reformanda, die Kirche ist es und darf es sein – genau so, wie wir selbst. Runderneuerung ohne Skalpell und Spritzen – wir leben davon, dass es sie gibt: Zunächst noch ungeahnte Möglichkeiten und Chancen, sich und die Verhältnisse zu ändern, zum Besseren zu wenden. Menschen, die über das semper reformanda jubilieren, halten ihr Leben und diese Welt nicht für erträglich. Im Gegenteil: Wer mit starkem Rückenwind aus dem Reich göttlicher Phantasie rechnet, wird sensibler für Nöte.

Er bewegt sich, betrachtet das Leben aus einem neuen Blickwinkel heraus, spürt frische Energie und fasst wieder Mut. Semper reformanda. Da gibt es dann schon auch mal Überraschungen, die einen umhauen können. Wir sehen neu, hören wieder richtig – hin. Wir kommen in Bewegung und werden sprachfähig. Werft euer Vertrauen nicht weg. "Es hat eine große Belohnung…" geht es weiter (Hebr 10,35). Wir können erleben, dass "bei Gott kein Ding unmöglich ist" (Lk 1,37).

Reformationsjubiläum. Da gehört schon auch dazu, dass Luther sagte: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweihet sei, obwohl es nicht jeglichem ziemt, solch Amt auszuüben.“ Das ist sauber biblisch-theologisch gedacht. Mit einem Federstrich hebt der Reformator die Klassengesellschaft des Mittelalters auf. Das Gegenüber von Gemeindechristen und geistlicher Elite hat ausgedient, wenn jeder, der getauft ist, automatisch zur geistlichen Elite gehört.

„Allgemeines Priestertum aller Gläubigen“. Jeder Gläubige repräsentiert die Kirche. Chauffeur, Anwältin, Betriebswirt, Computerspezialistin: Sie bilden die Gemeinschaft der Gläubigen. Und, noch aufregender: Luther wertet weltliche Berufe auf. Gute Werke, das ist alles, was im Glauben getan, geredet und gedacht wird. Jubilate! Die Trennung von heilig und profan ist aufgehoben. Der Alltag hat seinen eigenen Zauber und unsere Arbeit daheim, am Schreibtisch, in der Firma kann ein rechter Gottesdienst sein.

Christusjahr. Das war die brillante Idee unseres Landesbischofs. Eine, die nicht zum konfessionellen Separatismus aufruft, sondern zur Gemeinsamkeit. Das gefällt jetzt auch nicht jedem, weil man sich ab und zu ganz gerne abgrenzt von den anderen. Aber es geht nicht um eigene Profilierung, sondern darum, wer um Herr ist über mein Leben. An wem ich mich ausrichte und orientiere. Luthers bester Freund war Johannes Bugenhagen. Er hat ihn mit Katharina getraut und ihm am Ende auch die Grabrede gehalten.

Bugenhagen war der Reformator von Nordeutschland und Skandinavien. Ein „Generalsekretär des organisierten Luthertums“, wie es ein Journalist neulich formulierte. Er war der Diplomat, der zwischen den Regierungen und der Reformation vermittelte, sozusagen der Politikbeauftragte. Seine Kirchenordnungen bestimmten über Jahrhunderte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Besonders wichtig war ihm bei diesen „Staatsverträgen“ das Sozialwesen und guter Schulunterricht.

Solus Christus. Für Bugenhagen bedeutet das ganz aktuell: „Wir brauchen gute Schulen, kein Schulgeld für die Armen und gut bezahlte und gut ausgebildete Lehrer. Wir brauchen ein Fürsorgewesen, das den Bedürfnissen der Armen, Witwen und Waisen gerecht wird. Nicht um erbettelte Almosen soll es gehen, sondern um die Verantwortung der Bürgerschaft für das Gemeinwesen.“ Es gibt keinen Zweifel, dass der Glaube an Christus allein höchst praktische und menschliche Konsequenzen hat.

Bugenhagens Theologie war kurz und knackig. Sein zentraler Satz: „Kennst du Jesus gut, genügt das, auch wenn du sonst nichts weißt. Kennst du Jesus nicht, dann hat alles keinen Wert, was auch immer du sonst lernst.“ Christusjahr. Back to the roots, zurück zu unseren Wurzeln. Ad fontes – hin zur Quelle unseres Lebens. Wir brauchen nicht nachzudenken über unique selling factors, über Alleinstellungsmerkmale oder Markenlogos. Das ist mit solus Christus, allein Christus überflüssig.

Mehr als ihn brauchen wir nicht. Kein liturgisches Brimborium, keinen Ablass, keine Heiligen als Mittler zwischen uns und Gott … Nur das Vertrauen im Leben und beim Sterben auf Christus. Freund Luther beschreibt Christus als „Spiegel des väterlichen Herzens“. Und des reicht doch wirklich, ihn zu kennen: Wenn Jesus sich Kranken zuwendet, dann wissen wir, dass wir leben sollen. Wenn Jesus sich mit Erzkapitalisten und Huren an einen Tisch setzt, begreifen wir, dass wir uns nicht über andere erheben sollen.

Wenn er Menschen vor der Hinrichtung bewahrt, wird einem schnell klar, dass jeder von uns auf Vergebung angewiesen ist. Solus Christus – Spiegel des väterlichen Herzens. Einer, der leidet und Gottesferne erlebt, wie wir sie in unseren Abgründen kennenlernen. Selbst diese Verzweiflung ist Leben. Jesus, der aufersteht und uns vorangeht in die herrlichste und unmittelbare Gottesnähe, wie wir sie auf Erden nur in wenigen Momenten von Seligkeit erfahren.

Christus allein. Das muss Liebe zu allen Menschen bedeuten. Schändlicherweise hat eine falsch verstandene Christusliebe immer wieder zu Pogromen gegen Juden und Jüdinnen geführt – bis hin zur Shoa. Dafür haben wir keine Entschuldigung – nur tiefe tiefe Scham. Der Antijudaismus des älteren Luther ist bitter. Wir bekennen uns heute auch in unserer Verfassung dazu, dass es eine bleibende Erwählung des Volkes Israel gibt. Wir sind dem Volk Gottes innig verbunden und dankbar, dazu gehören zu dürfen.

Christus allein. Ja. Und in dieser Überzeugung begegnen wir Atheisten, Skeptikern und denen, die einer anderen Religion angehören. Ich halte meinen Glauben für wahr und kann dem anderen zugestehen, dass er seinen Glauben für wahr hält. Ich will mich nicht auf Biegen und Brechen durchsetzen, sondern munter und fröhlich von meinem Glauben erzählen. Leben und leben lassen, die Liberalitas Bavarica hat eine viel umfassendere Bedeutung, als es manchmal den Anschein hat.

Wir können in dieser Stadt, in unserem Land und weltweit nur überleben, wenn wir gemeinsam mit anderen die gottgegebene Menschenwürde achten. Den Religionen und Konfessionen ist es aufgetragen, an Frieden, Gerechtigkeit und der Bewährung der Schöpfung mitzuarbeiten. Wer an einen gnädigen und barmherzigen Gott glaubt und sich nicht selbst arrogant an seine Stelle setzt, der kann gar nichts anders, als in Ehrfurcht mit dem eigenen Leben und dem anderer umzugehen.

Liebe Schwestern und Brüder: Luther, Jubiläum und Christus. Ein mittelalterlicher Mensch mit Ecken, Kanten, mit Irrtümern, der uns zugleich unseres Fundamentes vergewissert und zu neuer geistlicher Freiheit geführt hat. Das ist ein Anlass, zu feiern, sich zu begeistern für einen Glauben, der auf dem Evangelium gründet. Und ein Herr und Gott, der uns auserkoren hat zu seinen geliebten Menschen. Zu Menschen, die sich ihrer selbst bewusst und gerechtfertigt allein aus Gnaden jeden Tag neu aufmachen dürfen ins Leben.

Amen. 

Einmal im Jahr lädt St. Lukas einen Menschen des öffentlichen Lebens ein, aus seinem Glauben heraus und mit dem je eigenen fachlichen und persönlichen Hintergrund in einer Kanzelrede im Gottesdienst Stellung zu nehmen. So sprachen unter anderem Imam Benjamin Idriz zum Thema Toleranz, Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse zu „Glaube und Politik“, Theaterintendant Christian Stückl zu „Bild und Religion“ und Journalist und Autor Heribert Prantl zu „Zuflucht in bewegten Zeiten“.

Im Reformationsjubiläumsjahr 2017 war Kabarettist Andreas Giebel bereit über „Licht und Schatten christlicher Existenz“ zu sprechen.

Der französische katholische Theologe Alfred Loisy hat gesagt: „Jesus verkündete das Reich Gottes – gekommen ist die Kirche“. Anders als später Papst Benedikt war er nicht der Meinung, dass beides quasi deckungsgleich ist. Er litt unter der Spannung zwischen dem Leben und der Lehre Jesu einerseits und der Institution, die sich im Lauf der Zeit aus den bescheidenen Anfängen in Palästina entwickelt hat.
Die wechselhafte Geschichte der Kirche hat Strahlendes und Dunkles hervorgebracht: Staunen erregende Kathedralen, berauschende Liturgien, faszinierende theologische Denkkonstrukte, großartige Einrichtungen der Fürsorge für Arme und Kranke auf der einen Seite; einen Machtapparat, der die Menschen erst in Höllenangst stürzte und ihnen dann klerikal verwaltete Gnadenmittel anbot, Gewalt und Eroberung als Mittel und Begleiterscheinung der „Mission“, Ketzer- und Hexenverfolgung, Antisemitismus, Kollaboration mit menschenverachtenden Diktaturen andererseits. Man könnte sagen, die Kirche (und das gilt vermutlich für jede Religion) bringt das Beste und das Schlechteste im Menschen hervor. Wenn es gut geht, begleitet sie uns auf der Suche nach Sinn, Geborgenheit und Würde; wenn es schlecht geht, missbraucht sie ihre Macht über die Seelen und züchtet gefügige Untertanen.
Geburtsstunde der Kirche ist die „Ausgießung des Heiligen Geistes“ an Pfingsten. Nach der Ostererfahrung, dass Jesus auf neue Weise lebt und nach dem Ende sichtbarer Jesuserscheinungen warteten seine Anhängerinnen und Anhänger auf etwas Neues. 50 Tage nach Ostern ereignete es sich. Eine neue Begeisterung bemächtigte sich der verwaisten Gemeinschaft. Das wird in Bildern wie „Sturm“ und „Feuer“ dargestellt. Und jeder Einzelne empfängt den „Geist“ – aber auch alle gemeinsam. Er stiftet eine einzigartige Erfahrung von Gemeinschaft und ermutigt das eben noch so lahme Häuflein der Hinterbliebenen, andere in diese Erfahrung einzuladen.
Kirche beginnt als unverfügbares Ereignis „von oben“ und manifestiert sich erst später in Ordnungen und Strukturen. Das ist ein notwendiger Prozess. Göttliche Impulse lassen sich nicht festhalten oder festschreiben – deshalb ist die Institutionalisierung der Begeisterten unausweichlich. Freilich lauert hier die Gefahr, dass die Institution zum Selbstzweck wird, dass sie „geistlos“ wird, nur noch Erinnerungskultur oder moralische Anstalt, Welt erklärend aber nicht mehr Welt bewegend.
Zum Glück ist Pfingsten kein einmaliges Ereignis. Immer wieder hat es der Heilige Geist geschafft, die ursprüngliche Begeisterung und die unleugbare Erfahrung der Gegenwart Gottes in der Welt neu zu wecken. Immer wieder gab es geistgewirkte Erneuerungsimpulse, die die Kirche wach gerüttelt und aus der Erstarrung befreit haben: Franz von Assisi und seine Armutsbewegung zum Beispiel oder die mittelalterlichen Mystiker und Mystikerinnen in den kontemplativen Klöstern, später die Basisgemeinden Lateinamerikas.
Auf seine Weise war auch Martin Luther mit seiner Wiederentdeckung des gnädigen Gottes ein Geistgeleiteter, auch wenn sich die Reformationsbewegung selbst sehr schnell dogmatisch verengt hat, die Mystik verdammte und wohl auch deshalb kein wirklich überzeugendes Gegenmodell von Kirche hervorbringen konnte. Aber auch im evangelischen Raum gab es immer wieder beeindruckende Erneuerungsbewegungen: die Herrnhuter Brüdergemeinde etwa mit ihrer Betonung des gemeinsamen Lebens und der Christusfreude, Vater und Sohn Blumhardt im 19. Jahrhundert, denen die urchristlichen Heilungsgaben und die neutestamentliche Reich-Gottes-Hoffnung neu geschenkt wurden. Im 20. Jahrhundert war es Dietrich Bonhoeffer, der schon als Student die Auffassung des Apostels Paulus entdeckte, dass Christus nicht irgendwo im Himmel ist, sondern als Gemeinde sichtbar existiert. Oder Martin Luther King, der den Traum Gottes von der Gleichheit aller Menschen mit Leben füllte.
All diese Menschen waren „Mystiker“. Der katholische Theologe Karl Rahner definiert Mystiker so: „Jemand, der etwas erfahren hat“ und ist überzeugt: „Der Fromme der Zukunft wird Mystiker sein – oder er wird nicht sein!“. Der evangelische Theologe Paul Tillich kritisiert den Protestantismus: „Ein Protestantismus, in dem Meditation und Kontemplation, Ekstase und ‚mystische Vereinigung‘ keinen Raum mehr haben, hat aufgehört, Religion zu sein; er ist zu einem intellektuellen und moralischen System in traditionellen religiösen Begriffen geworden."
Mich selbst haben die Phänomene Heiliger Geist und Kirche schon früh bewegt. Im Studium bin ich in Würzburg einer charismatischen jungen Gemeinschaft begegnet, die schon alle Ingredienzien hatte, die man heute „integrale Spiritualität“ nennt. Damit ist die Vereinigung von scheinbaren Gegensätzen gemeint: fromm und politisch, liturgisch und diakonisch, frei und sakramental, mystisch biblisch und bibelkritisch. 

Vielen Menschen geht es heute so, auch wenn sie nicht vor Gott sich fürchten, sondern vor dem Urteil der Umwelt. Unbegabt, dick, die falsche Schuh- und Jackenmarke, alt, Falten, obdach- und arbeitslos, Wirtschaftsmigrant, behindert, dement, genetisch defekt …. nicht immer und überall, aber doch zu oft sind das Ausschlusskriterien einer Gesellschaft, die ihre Ablässe munter weiter verkauft, damit die Jungen, Schönen und Erfolgreichen in der ersten Reihe sitzen und der Rest bestenfalls Stehplätze bekommt.

Lutherjahr. Er verstand, dass die Gerechtigkeit Gottes darin besteht, dass er uns voraussetzungslos liebt. Er gibt alles, gibt sich hin, lässt sich martern und töten, damit klar wird: Gott ist ein naher Gott, ein distanzloser, der nicht aus der Ferne verehrt, sondern in der Nähe geliebt werden will. Der sich und anträgt, damit wir ihm nicht vortragen müssen, was wir alles geleistet haben. Gott ist für Luther keine Angstvision mehr, sondern Hoffnungsbild. Er macht mich zu dem, was ich sein darf: Ein aufrechtes, geliebtes Menschenkind.

Die Lebenskraft, die Gott mir schenkt, kann ich durch keine spirituellen Fitnessübungen erzwingen, die Weisheit, die Gott mir verleiht, nicht durch intellektuelle Gebetsseminare erwerben. Ich kann und brauche nichts dazu tun, dass Gott mich trotz meiner Sünden, meiner Verdrehtheit liebevoll in den Arm nimmt. Er tut es, weil er es will. Einfach so akzeptiert. Einfach so geliebt. Das hat Martin Luther uns auch heute noch zu sagen. Wir können es gar nicht oft und laut genug wiederholen.

Unsere Gesellschaft ist auf Leistung hin orientiert, nicht auf Rechtfertigung. Andersrum wäre es geistvoller. Einfach spielen als Kind, statt gleich ein emotionales, motorisches und intellektuelles Programm dabei zu absolvieren. Frei haben, um sich auszutoben, statt nach Kindergarten oder Schule Ballett, Yoga oder Chinesisch zu lernen. Zufrieden sein mit der erreichten Position statt angetrieben zu werden, Karriere zu machen. Sich freuen an dem, was man hat, statt nach scheinbaren Statussymbolen zu schielen.

Natürlich ist es schön, wenn man sich mit seinen Gaben fabelhaft entwickelt, Förderung bekommt, irgendwann viel kann und weiß, etwas vorzuweisen hat. Aber zuerst muss man doch als Kleiner und Großer spüren, fühlen, wissen dürfen, dass man auch ohne alles das gewollt und geliebt ist! Dass man ein wunderbares Gottesgeschöpf ist auch mit seelischem oder körperlichem Weh, mit gescheiterten Plänen und geplatzten Träumen. Luther schreibt: „Die Liebe Gottes findet das für sie Liebenswerte nicht vor, sondern erschafft es.“

Grund zum Jubilieren! Reformationsjubiläum. Bei diesem Namen zuckt mancher erschreckt zusammen. Die, die mehr an Kirchenspaltung denken als an die Rückgewinnung biblischer Einsichten, mögen das Wort Jubiläum nicht. Ich verstehe das, ich mag es trotzdem auch. Denn es ist Grund zur Freude, dass wir mit der Rechtfertigung allein aus Gnaden auch die Botschaft mitbekommen haben, dass die Kirche eine ist, die man getrost immer wieder verändern darf und muss. Ecclesia semper reformanda.

Der Gott, den Luther in Erinnerung rief, ist einer, der dynamisch, der mit uns in Bewegung ist. Er spielt nicht mit uns, kein Roulette, bei dem es "rien ne va plus" heißt. Nichts geht mehr. Deswegen werde ich auch so zornig, wenn in der Kirche Untergangsszenarien an die Wand gemalt werden – immer weniger Mitglieder, immer weniger Geld, immer weniger Einfluss… Diese selbstmitleidigen Unkenrufe sind blasphemisch. Sie sind gottlos. „Du bist es nicht, der die Kirche erhält“ sagt Luther. Gott ist es.

Und wir sollten ihm, der die dynamis, die Kraft des Geistes selbst ist, einfach alles zutrauen. So interessant demographische Entwicklungen und Steuerschätzungen sind, Gott ist mehr. Und wir, die er liebt über den Tod hinaus, wir sollten nicht herumsitzen und heulen, weil alles angeblich schlechter wird. Hinaus in die Welt, munter, fröhlich und entschlossen den Glauben gelebt. Dort kritisch sein und den Mund aufmachen, wo es nötig ist. Anpacken, helfen, wo Menschen Unterstützung brauchen. 

Diese Frage ist ungefähr so einfach und gleichzeitig so schwer zu beantworten, wie die Frage: Wie geht Liebe? Jeder kennt die Antwort und doch ist es vollkommen unmöglich, so etwas wie eine Betriebsanleitung für die Liebe zu entwerfen. Die Liebe will gelebt werden. Die eigentliche Wahrheit erzählt das Herz.
Ein wenig ist es so auch mit dem Glauben. Über ihn zu sprechen, ist letztlich immer nur vermittelte Erfahrung. Ein Text kann deshalb im besten Fall ein Wegweiser sein und auf einen Weg, der nur selbst gegangen werden kann, verweisen. Denn der Glaube ist vor allem anderen ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und einem Menschen. Und deshalb ist er etwas zutiefst Lebendiges, etwas das man nie festhalten kann, sondern ein Geschehen, dass sich im Gehen wandelt, vertieft und immer wieder neu erschließt.
Diese personale Ebene war es auch – so scheint es mir -, die Martin Luther vor nunmehr 500 Jahren im Herzen bewegte, und die er deshalb so stark in den Mittelpunkt seiner Theologie stellte: Wenn er so sehr und vehement einforderte, dass das Wesentliche, das Erste und damit auch letztlich Entscheidende der persönliche Glaube sei, dann erzählt er dabei immer auch von der Kraft seiner eigenen Gotteserfahrung. Und so spricht er davon, dass wie bei einer Liebesgeschichte, die Geschichte der Liebe des Menschen zu Gott mit der bedingungslosen Öffnung des Herzens und dem vertrauensvollen Einlassen auf die Liebe des Anderen beginnt. Alle Gründe dafür oder dagegen sind letztlich bedeutungslos. Wenn es diesen Schritt des vertrauenden Loslassens und Losgehens nicht gibt, wird der Glaube nicht zu dem werden, was er eigentlich ist: ein Lieben und Geliebt werden von Gott und Mensch.
Das Wunderbare – und auch dies hat Martin Luther in kraftvolle Worte gefasst – ist, dass wir in diesem Schritt bereits Antwortende sind. Wir haben immer schon den Klang im Ohr und im Herzen, dass Gott zu uns sagt: „Ich liebe Dich“, bevor wir überhaupt antworten. Er ist es, der auf uns zukommt voller Barmherzigkeit und Liebe. Gerade darin konnte Martin Luther, der so sehr an seiner eigenen Kraft des Glaubens zweifelte, tiefen Trost finden. Es ist die Botschaft, dass der Mensch sich die Liebe Gottes nie verdienen kann, aber eben auch nie verdienen muss, weil sie ihm schon längst geschenkt ist. Sich von dieser liebevollen Zuwendung Gottes berühren zu lassen und sein eigenes Herz zu einem „Ich glaube Dir“ und „Ich glaube an Dich“ zu öffnen – das ist es, worauf es ankommt. Das ist die Kernbotschaft des Glaubens, die die Reformation mit neuer Kraft in den Mittelpunkt gestellt hat.
Dies können Katholiken und Lutheraner heute gemeinsam so sagen, obwohl gerade an diesem Punkt auch die zentrale Kontroverse der Reformation ansetzte. Schon mit seinen 95 Thesen gegen den Ablass hatte Martin Luther ja in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass vieles an dieser Frömmigkeitsform dazu anregt, doch den Anschein zu erwecken, als könne sich der Mensch die Liebe Gottes verdienen. Dagegen betonte Luther in der Klarheit eines entschiedenen Ordensmannes: Gott liebt bedingungslos, und das Einzige, was er vom Menschen erwartet, ist eine liebende Antwort: eben den Glauben. So wurde das „Sola fide“ zu einem der wesentlichen Merkmale reformatorischer Identität.
Es gehört zu den wirklich schönen Früchten des lutherisch-katholischen Dialoges, verstanden zu haben, dass die Frage Glauben oder Werke die falsche Frage ist. Ja, man könnte sogar sagen: recht verstandene Werke sind eine Frucht des Glaubens. Am Beginn steht immer eine liebende Antwort auf die Liebe Gottes. Dieser erste Schritt stimmt das Herz und Handeln eines Menschen so, dass er diesen Glauben auch ausdrücken und leben wird. Aber so wie es ein völliges Missverstehen der Liebe wäre, dass eine geschenkte Rose die Liebe „erkaufen“ könnte, so wäre es ein Missverstehen des Glaubens, wenn die äußeren Zeichen des Glaubens (die Werke) so verstanden würden, als seien sie notwendig, um Gottes Liebe zu verdienen. Diese Auffassung hat Martin Luther zu Recht mit Vehemenz zurückgewiesen. Das haben beide Kirchen in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungserklärung 1999 in Augsburg gemeinsam bestätigt und festgehalten. Und daraufhin dürfen beide Kirchen einander im Hinblick auf ihre heutige Frömmigkeitspraxis auch immer wieder befragen.
Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen, der besonders der katholischen Kirche immer wieder am Herzen liegt: den Gemeinschaftsbezug des Glaubens. Es ist für mich immer wieder beeindruckend, dass die Christen von Anfang an sehr genau um die Verwiesenheit des persönlichen Glaubens auf eine Gemeinschaft wussten.

"Neulich war ich wieder mal beim Pfister. Zwei waren vor mir. Normalerweise mach ich mir immer Gedanken über die vor mir. Wie kaufen die ein, wie leben die…

„Aha, sauber, zwei ganze Brote, beide durchgeschnitten, eine Hälfte in Scheiben, eine geviertelt, alles einzeln verpackt… so ein Hamstertyp, denk ich mir, ein Bevorrater. Entweder weil er zu faul ist, öfter einkaufen zu gehen oder für den Fall dass der Weltkrieg ausbricht. Der muss ja eine große Gefriertruhe haben. Und meine letzte Sonne hat er mir auch noch vor der Nase weggekauft.“ So was denk ich mir normalerweise.

Aber dieses mal dachte ich an den heutigen Sonntag. Was erzählst du den Menschen in der Kirche. Wenn man so ein Unterfangen ernst nimmt ist das schwieriger als man denkt. Vielleicht auch speziell für einen wie mich. Soll ich von meiner Art des Glaubens sprechen ?

Oder davon, Dass ich schon immer Schwierigkeiten hatte mit festen Abläufen, nicht nur in der Kirche, nein, bei allen öffentlichen Anlässen, Die erste Rede die zweite Rede, die dritte Rede, ein Tusch und dann gibt’s Essen, wäre das umgekehrt, also erst das Essen, würden die Reden vermutlich vor vielen leeren Stühlen stattfinden.

Weil viele draußen sind, auf dem Klo, beim Rauchen, oder schon wieder auf dem Heimweg.

Beim Gottesdienst am Sonntag gibt’s kein Essen, dafür wird mehr gesungen. Wichtig, wahrscheinlich für Viele, gemeinsam in sich zu gehen, sich gemeinsam zu besinnen, zu beten, der gemeindliche Zusammenhalt im Glauben, um diesen immer wieder zu festigen, um dann wieder gestärkt und vielleicht auch beseelt in den Alltag zu entschwinden.

Aber ich bin im Grunde immer noch der innerlich unruhige Zappelphillip, der ich schon in der Schule war. Jene Einrichtung, in der ich zwar Lesen und Schreiben gelernt habe, aber nichts von dem, auf was es im Leben ankommt. Keine auch nur ansatzweise brauchbare Anleitung. Eine Gebrauchsanweisung fürs Leben. Alles mußt du selber machen und keiner erklärt es Dir. Und in diesem Kampf mit der Welt stecke ich bis Heute.

„So, der nächste bitte, was griang sie?“Jetzt bin ich dran, beim Pfister.

„Gebens mir das halbe Rustikal mit dunklen schwarzen fast verbrannten Kruste, und des braune Salzstangerl, bitte!“

Eine ältere Dame hinter mir, klein, Adrett, sehr nett,meint: „Sie mögens gern dunkler, gell? Des ist ja gut daß wir nicht alle gleich sind, weil ich mags gern hell!“ „Ja, da haben sie recht, jeder ist ein Individuum, drum gibt’s ja da auch so viele verschiedene Brote!“

„ja mei,“ sagt sie, „wenn ich jung wäre, würde ich vielleicht auch des dunkle gern mögen!“

Na ja sag ich, soo jung bin ich auch nicht mehr!“ „für mich schon, ich bin jetzt 94“

„Was? Des gibt’s ja gar nicht, Respekt, des hätt ich ja nie geglaubt“. „Aber hundert mog i a net wern!“ Net? „Na, ich hab ja koane Leit mehr, san ja jetzt scho fast alle weg!“

„Ja dann hoff ich, dass ma uns noch oft sehen, hier beim Pfister !“

So eine nette Person, und geistig so wach mit einem Witz und einer Art. Ganz beseelt bin ich rausgegangen, mit meinem Rustikalbrot und meinem Salzstangerl.

Die Momente sind es, im Leben, die Begegnungen mit den Menschen und das was sich daraus ergibt.

Ich weiß gar nicht was sich die Menschen immer alles unter Glück vorstellen. Albert Schweitzer hat gesagt: „Glück ist gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis!“

Am Ersten arbeite ich noch, mit dem Zweiten klappt es schon ganz gut. Ja was ist Glück?

Neben der Wahrheit des Evangeliums und neben der durch sie ermöglichten Freiheit war das wichtigste Wort der Reformation wohl "Gnade". Luthers alles andere überragende Erfahrung war, dass er allein durch die Gnade Gottes zu einem gerechten und guten Menschen werde. Das war das Befreiungserlebnis seines Lebens, die Erlösung seiner suchenden und oft verängstigten Seele.
Gnade: damals ein zentrales – heute vielleicht ein fremdes Wort. Und dabei, so scheint es mir, hätten wir gerade heute nichts so nötig wie Gnade. Gnade zuerst mit uns selbst, damit wir nicht vor immer neuer Selbsterfindung und Selbstoptimierung schließlich in verzweifelter Erschöpfung landen. Gnade auch mit unseren Mitmenschen, die eben fehlbare und unvollkommene Wesen sind wie wir selber und von denen wir doch häufig Perfektion und reibungsloses Funktionieren erwarten.
Es macht sich zudem in unserer Gesellschaft, von Internetforen bis hin zu politischen Debatten, ein Ungeist der Gnadenlosigkeit breit, des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit, der Verachtung, der für uns alle brandgefährlich ist.
Und dass wir weniger von Ängsten geplagt und von Furcht ergriffen sind als die Zeitgenossen der Reformation, das kann man nun sicher nicht behaupten, auch wenn diese Ängste uns nicht mehr als leibhaftige Dämonen und Teufel erscheinen.
Von denjenigen, für die die Reformation mehr ist als historische Erinnerung und für deren Leben der christliche Glaube eine wichtige Rolle spielt, von denjenigen wünsche ich mir, dass sie aus diesem Glauben heraus gnadenlosen Zuständen immer wieder Momente von tätiger Zuwendung, aber auch von Umkehr und Veränderung, entgegensetzen können. Wir brauchen auch heute Agenten der Entängstigung. Und wenn es sein muss auch mit dem gelassenen Trotz, wie ihn Luther formuliert: "Und wenn die Welt voll Teufel wär / Und wollt uns gar verschlingen / So fürchten wir uns nicht so sehr / Es soll uns doch gelingen…"
Für viele ist der Glaube an Gott oder an eine unverdiente himmlische Gnade keine persönlich erfahrene Wirklichkeit mehr. Ihnen wünsche ich, dass sie hier und da Gnade von ihren Mitmenschen erfahren und auch selber gnädig mit anderen umgehen. Wenn Menschen sich bewusst machen, dass sie hier und da in rational nicht fassbarer Weise beschenkt, getragen oder bewahrt waren, oder wenn sie voller Staunen erleben, dass ihnen Gutes widerfährt, was sie sich nicht selber erarbeitet haben – dann haben sie möglicherweise eine Erfahrung von Gnade gemacht. Auf Latein heißt Gnade "gratia". "Gratis" kommt daher: Großzügigkeit und selbstloses Schenken. Und auch die "Grazie" leitet sich daher, die Leichtigkeit unverkrampften Daseins. Wo solche Grazie erfahren wird, ist ziemlich sicher auch die Gnade nicht weit.
Deshalb freuen wir uns nun auf das Gedenken der Reformation. Nehmen wir sie als eine aktuelle Herausforderung für unser Denken und Handeln. Sie geht uns voraus in ihrer Leidenschaft für Wahrheit und Freiheit und sie geht uns gerade deswegen auch an: als einzelne Menschenkinder, die in Wahrhaftigkeit und Freiheit ihren Weg zu gehen suchen, als Christen, deren Kirche eine Reformation nie nur hinter sich, sondern immer auch vor sich hat und als Bürgerinnen und Bürger, die aus eben diesem Geist ihrem Gemeinwesen in beständiger Bereitschaft zur Erneuerung verbunden bleiben.

Artikelreihe Reformationsjubiläum

500 Jahre Reformation nehmen wir zum Anlass, im Jubiläumsjahr zentrale Fragen der Reformation neu zu stellen und namhafte Persönlichkeiten um Antworten für unsere Zeit zu bitten.

Bundespräsident Joachim Gauck hat vor kurzem St. Lukas beehrt. Als Bundespräsident kann er qua Amt das Begnadigungsrecht ausüben. Als Pfarrer war Gnade in seinem Reden, Denken und Handeln eine grundlegende Kategorie. Beim Festakt „500 Jahre Reformation“ in Berlin hat er darüber gesprochen, dass unsere Gesellschaft nichts so nötig hat, wie Gnade. Mit Ausschnitten aus dieser Rede setzen wir die Artikelreihe fort überschrieben mit der Frage „Wie geht Gnade?“

Wie geht Gnade?
Von Bundespräsident Joachim Gauck
Dass die Reformation und die Feier ihres Gedenkens mich ganz persönlich sehr bewegen, als evangelischen Christen und als Pastor, der ich einmal war – das dürfte niemanden überraschen. Aber ich spreche zu Ihnen heute als Bundespräsident und bringe damit zum Ausdruck, dass unser Gemeinwesen dieses ja zunächst kirchliche Ereignis außerordentlich wichtig nimmt. Wir vermischen hier nicht unzulässigerweise die kirchliche und die staatliche Sphäre, sondern der Staat erkennt an, dass auch er selber, in seiner Geschichte und Vorgeschichte, in vielfacher Weise von der Reformation und ihrer Wirkungsgeschichte geprägt ist. Die heutige Gestalt unseres Gemeinwesens ist ohne die christlichen Kirchen nicht denkbar. Und sie ist nicht denkbar ohne die Reformation. …
Der Beginn könnte unscheinbarer kaum sein: Ein noch junger Professor der Theologie formuliert einige pointierte Thesen. Mit diesen Thesen zum Ablasswesen stellte Martin Luther allerdings eine entscheidende Praxis seiner Kirche ganz grundsätzlich in Frage – eine Praxis, die von hoher religiöser, kultureller aber auch von ökonomischer und machtpolitischer Relevanz war und die für die Menschen in ihrem ganz persönlichen Glaubensleben eine wichtige Rolle spielte.
Er hatte so die Tür in eine neue Welt aufgestoßen. Allerdings: Weder Luther, noch Calvin, noch Zwingli noch ein anderer der Reformatoren in deutschen und europäischen Ländern konnte ahnen, welche grundstürzenden gesellschaftlichen und politischen Folgen ihr Kampf für eine Reform des Glaubens und der Kirche haben sollte. Denn es ging ihnen doch vor allem anderen um das Heil der Seele, um das richtige Verhältnis zu Gott, um Himmel oder Hölle.
Viele von uns heute verstehen gar nicht mehr, wie man sich darüber überhaupt Gedanken machen kann – und noch fremder sind den meisten wohl die Seelenqualen und die Gewissensängste, die die Menschen am Ausgang des Mittelalters so unaufhörlich beschäftigten – und einen von ihnen eben ganz besonders: Martin Luther.
"Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" – "Wofür wird Gott mich bestrafen?" – "Was geschieht mit mir nach meinem Tode?" Diese sehr persönlichen religiösen Fragen angefochtener Seelen – und die neuen Antworten darauf – waren es, die politische, ja weltgeschichtliche Erschütterungen ausgelöst haben.
Dass die Gedanken der Reformatoren eine so unerhörte Sprengkraft entwickeln konnten, lag gewiss auch an günstigen Umständen wie etwa dem Buchdruck, der die neuen Ideen so schnell in alle Winkel verbreitete.
Andererseits aber lässt sich diese Sprengkraft nur erklären durch die leidenschaftliche Suche nach dem richtigen Glauben, nach dem Willen, auf rechte Art fromm zu sein, der die meisten Menschen in jener Zeit bewegte. Wenn sich nun an diesem innersten Beweggrund ihres Lebens entscheidendes änderte – dann konnten davon auch die übrigen Verhältnisse nicht unberührt bleiben…

München hat in St. Lukas Abschied von seiner Ehrenbürgerin Professorin Dr. Dr. h.c. Hildegard Hamm-Brücher genommen. Den Trauergottesdienst am 19. Dezember hielt Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Bei der anschließenden Gedenkfeier sprachen Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, Bundesminister a.D. Gerhart Baum und Florian Hamm für die Familie Hamm.

Unter den Trauergästen waren u.a. Bundespräsident Joachim Gauck, Innenminister Joachim Herrmann, die beiden Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und Christian Ude und Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde. Auch viele Münchner Bürgerinnen und Bürger haben der Demokratin par excellence die letzte Ehre erwiesen.

München hat in St. Lukas Abschied von seiner Ehrenbürgerin Professorin Dr. Dr. h.c. Hildegard Hamm-Brücher genommen. Den Trauergottesdienst am 19. Dezember hielt Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Bei der anschließenden Gedenkfeier sprachen Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, Bundesminister a.D. Gerhart Baum und Florian Hamm für die Familie Hamm.

Unter den Trauergästen waren u.a. Bundespräsident Joachim Gauck, Innenminister Joachim Herrmann, die beiden Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und Christian Ude und Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde. Auch viele Münchner Bürgerinnen und Bürger haben der Demokratin par excellence die letzte Ehre erwiesen.

Fotos: Michael Nagy/Presseamt München

Vielmehr ändert sich der Begründungszusammenhang: „So daß allewege die Person zuvor gut und fromm sein muß vor allen guten Werken, und gute Werke folgen und gehen aus von der frommen, guten Person. Ebenso wie Christus sagt: ‚Ein böser Baum trägt keine gute Frucht. Ein guter Baum trägt keine böse Frucht‘.“ (Matth. 7,18)

 Im Vertrauen auf Christus allein gewinnt der Christenmensch die Freiheit, die sein Verhältnis zu seinen Mitmenschen bestimmt. Diese entfaltet Luther in der bereits erwähnten Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, die 1521 entstanden ist und zu den seinen Hauptschriften zählt. Zwei Thesen stehen an ihrem Anfang: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan“ und „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“. So widersprüchlich dies zunächst klingt, gehört doch beides zusammen.

Aus der ersten These – niemandem untertan zu sein – ergibt sich, was „Zivilcourage“ genannt wird, zu eigenen Überzeugungen auch dann zu stehen, wenn dies persönliche Konsequenzen hat. Geradezu bildlich wurde dies in der reformationsgeschichtlichen Schlüsselszene schlechthin: Luthers Auftritt vor dem Kaiser auf dem Reichstag zu Worms im April 1521, als er sich, unter Androhung des Todes, weigerte zu widerrufen: „Wenn Eure Majestät und Eure Herrschaften denn eine einfache Antwort verlangen, so werde ich sie ohne Hörner und Zähne geben. Wenn ich nicht durch Schriftzeugnisse oder einen klaren Grund widerlegt werde – denn allein dem Papst und den Konzilien glaube ich nicht; es steht fest, daß sie häufig geirrt und sich auch selbst widersprochen haben-, so bin ich durch die von mir angeführten Schriftworte überwunden. Und da mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“

Diese Orientierung am eigenen Gewissen gehört zu den unhintergehbaren Grundlagen unserer modernen menschenrechtlichen Kultur. Um das Individuum aber nicht zum alleinigen Zentrum zu machen und den Freiheitsbegriff damit individualistisch zu verengen, muss die zweite These „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“ immer im gleichen Atemzug mit der ersten genannt werden. Mit der Freiheit geht der Dienst am Nächsten einher.

Freiheit ist immer nur dann Freiheit, wenn sie nicht gegen die Nächstenliebe, sondern mit ihr zusammen gedacht wird. Martin Luther hat diesen Zusammenhang auf eine Weise zum Ausdruck gebracht, wie man es besser kaum sagen kann:

„ Sieh, so fließt aus dem Glauben die Liebe und die Lust zu Gott. Und aus der Liebe ein freies, fröhliches, williges Leben, dem Nächsten umsonst zu dienen. Denn so, wie unser Nächster Not leidet und unseres Überflusses bedarf, so haben ja auch wir Not gelitten und seiner Gnade bedurft. Darum sollen wir so, wie uns Gott durch Christus umsonst geholfen hat durch seinen Leib und seine Werke, nichts anderes tun, als dem Nächsten zu helfen.“

Christliche Freiheit ist nichts Sauertöpfisches, nichts Moralistisches, nichts Freudloses, sondern es ist die Grundlage für ein erfülltes, ein glückliches Leben.

Dass viele Menschen das neu entdecken, das wäre mein Traum für das Reformationsjubiläumsjahr  2017!

Von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm
(Diesen Artikel können Sie hier als PDF herunterladen)

Wie geht Freiheit? Aus evangelischer Sicht gibt es darauf eine klare Antwort. Und sie trennt die Konfessionen nicht mehr, sondern sie verbindet sie. Genau das will das Reformationsjubiläum 2017 unter dem Stichwort „Christusfest“ neu in den Blick nehmen. Wer von christlicher Freiheit redet, kommt um Christus nicht herum und ist damit gleichzeitig mitten im Zentrum der reformatorischen Botschaft: Solus Christus – Christus allein. In der Reformation ging es auch um die (Wieder-) Entdeckung der Bibel (sola scriptura), um den Glauben (sola fide) und um die Gnade Gottes (sola gratia). Alle drei sind untrennbar mit Jesus Christus verbunden. Deswegen lohnt es sich, das „Solus Christus“ etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Es führt uns zunächst zu Martin Luther selbst, dem „allein Christus“ zu einer existenziellen Erfahrung wurde. Er erlebte es als bedrückend, dem Anspruch Gottes gerecht werden zu müssen; Er wusste um das Gute und sah sich doch außerstande, es erfüllen zu können. Er bemühte sich mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft und scheiterte an dem Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bis sich ihm schließlich der Sinn einer Stelle aus dem Römerbrief in ganz neuer Weise erschloss. Dort heißt es: „Der Mensch ist allein gerechtfertigt aus dem Glauben und nicht aus den Werken“ (Röm 3, 28).

Menschen können sich nicht rechtfertigen vor Gott – sie werden ohne eigenes Verdienst gerecht, durch die Erlösung, die in Jesus Christus geschehen ist. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ist nie die eigene, sondern eine fremde, nämlich die von Jesus Christus. Die Gerechtigkeit Christi wird einem jeden so angerechnet, als sei es die eigene.

Diese Erkenntnis war für Martin Luther der Sprung in die innere Freiheit. In der Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ beschreibt er dieses Geschehen hinreißend als „fröhlichen Wechsel“: „Weil Christus Gott und Mensch ist, der noch nie gesündigt hat, und seine Frommheit unüberwindlich, ewig und allmächtig ist, so macht er denn die Sünde der gläubigen Seele durch ihren Brautring – das ist der Glaube – sich selbst zu eigen und tut nichts anderes, als hätte er sie getan. So müssen die Sünden in ihm verschlungen und ersäuft werden; denn seine unüberwindliche Gerechtigkeit ist allen Sünden zu stark. So wird die Seele von allen ihren Sünden durch ihren Brautschatz geläutert, das heißt: des Glaubens wegen ledig und frei und begabt mit der ewigen Gerechtigkeit ihres Bräutigams Christus. Ist nun das nicht eine fröhliche Wirtschaft, wo der reiche, edle, fromme Bräutigam Christus das arme, verachtete, böse Hürlein zur Ehe nimmt und sie von allem Übel entledigt, ziert mit allen Gütern? So ist es nicht möglich, daß die Sünden sie verdammen; denn sie liegen nun auf Christus und sind in ihn hinein verschlungen.“

Gerecht werden vor Gott – das kann kein Mensch und sei er in seinem Tun noch so vorbildlich. Das kann nur Christus. „So sehen wir, daß ein Christenmensch an dem Glauben genug hat; er bedarf keines Werkes, damit er fromm sei. Bedarf er denn keines Werkes mehr, so ist er gewiß entbunden von allen Geboten und Gesetzen. Ist er entbunden, so ist er gewiß frei. Das ist die christliche Freiheit, der einzige Glaube, der da macht, nicht daß wir müßig gehen oder übel tun möchten, sondern daß wir keines Werkes zur Frommheit und um Seligkeit zu erlangen bedürfen.“

Freiheit besteht für Luther darin, selbst des beständigen Bemühens entledigt zu sein, im eigenen Tun das Heil zu suchen. Welche Rolle aber spielt das Tun – oder die Werke, wie Luther sagt? Was wäre das für eine Freiheit, die das Tun des Guten verachten würde? Das kann es also nicht sein.

Eine Antwort von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler
(Diesen Artikel können Sie hier als PDF herunterladen)

Als kleines Mädchen erklärte ich meinen Eltern von mir aus und sehr entschlossen, dass ich den Kindergottesdienst besuche wolle. Ich hatte Gutes davon gehört: Man bekommt Geschichten erzählt, so hieß es, und eine kleine Zeitung mit Rätseln und Bildern. Mit beidem war ich wissensdurstige kleine Person zuhause nicht besonders gesegnet, weil das Geld dafür fehlte. Meine Eltern waren einverstanden. Also stapfte ich vergnügt und ein bisschen aufgeregt los. Alles war so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine junge, liebens­werte Frau erzählte mitreißende Geschichten.

Geschichten über Geschichten, alle aus der Bibel, eine so atemberaubend wie die andere. Nein, nicht ganz. Joseph und seine Brüder – das war mein persönlicher Hit. Zuerst der Verkauf des Traumtänzers Joseph nach Ägypten, der Schmerz seines Vaters, Joseph als widerspenstiges Lustobjekt der Kämmerersfrau, seine Gefangenschaft in den Kerkern des Pharao…. Ich konnte es kaum erwarten, bis der nächste Sonntag da war und es endlich mit der hochdramatischen Familiensaga weiterging. Manche Mehrteiler im Fernsehen heute erinnern mich entfernt an die Spannung vergangener Tage.

Unsere persönliche Situation zuhause, mein Vater, der nicht bei uns leben durfte, weil er nicht mit meiner Mutter verheiratet war, die despektierlichen Äußerungen über uns im gesellschaftlichen Umfeld waren es wohl, die mich sensibel gemacht haben für die emotionalen Züge der bibli­schen Geschichten. Da kommen Menschen vor wie du und ich. Einer phantasiert sich in großartige Rollen, weil das Leben ihn klein macht. Andere wollen mitziehen, sind neidisch über fremde Erfolge. Verluste brechen einem schier das Herz; unbefriedigte Sehnsucht kann aggressiv machen. Und erst ein happy-end!

Ich liebte und liebe den glücklichen Ausgang von Erzählun­gen, Filmen, Büchern und natürlich von Ereignissen im wirk­lichen Leben. Es braucht solche Visionen, solche Bilder vom guten Ausgang, damit man nicht erstickt unter der Last noch unbewältigter Erfahrungen oder gar zerbricht an einer quälenden Realität. Joseph, der es schließlich ganz nach oben geschafft hat, sieht seine Brüder nach Jahren wieder. Sie erkennen ihn nicht. Er gibt ihnen Getreide, damit sie nicht hungern, verlangt aber den Jüngsten von ihnen zu sehen, den daheim gebliebenen Benjamin, und behält dafür eine Geisel.

Schier unerträglich war mein Verlangen, der Familienfriede möchte wieder hergestellt, die Geschwister vereint beieinan­der leben. Noch war es nicht soweit. Joseph versteckte beim zweiten Besuch der Brüder einen silbernen Becher im Gepäck von Benjamin, ließ den davonziehenden Geschwistern nachjagen und sie wegen angeblichen  Diebstahls verhaften. Mein Gott, was für eine Aufregung! Ich fieberte förmlich dem Ende entgegen. Joseph würde sich doch wohl nicht billig rächen? Er wollte sicher die Gefühle nur hochkatapultieren, damit die Versöhnung umso großartiger würde…

Meine Erleichterung war grenzenlos, als sich schließlich alle begeistert in die Arme sanken. So, fand ich, so muss das Leben sein: Abenteuerlich, voller Liebe und Leidenschaft, voll Zorn über Ungerechtigkeit und Kampf gegen das Böse, voll packender Ideen und bei allem Realismus immer wieder mal voll paradiesischer Harmonie. Das war und ist ganz nach meinem Geschmack: Pralles Leben, mit allen Höhen und Tiefen, manchmal reduziert und dann wieder unendlich frei, weit. Im Lauf der Jahre entdeckte ich stets neue Züge an der Josephs­geschichte, die mich faszinierten, unwiderstehlich anzogen.

Ich sah eine Mutter, die nicht mehr da war. Einen Vater, der folgenschwer ein Kind vorzog. Seine Unfähigkeit, den Tod der geliebten Frau zu verarbeiten. Die Brüder, die sich der Konfrontation nicht stellen, sondern verdrängen. Joseph, der sich nur mit den Flügeln der Seele einer Prell­bockposition entziehen konnte. Ich fand dargestellt, wie Träume in ihrer existentiellen Bedeutung zu erkennen und zu erfassen sind.

Ich las von schweren, qualvollen  Zeiten, die einen reifer und erwachsener aus ihren Fängen entlassen, von Beziehungen, die Arbeit machen und Phantasie erfordern.

Rund fünfzehn Jahre nach meiner ersten Begegnung mit der Josephsgeschichte saß ich mit ziemlich klopfendem Herzen in einem Examen. Es war die schriftliche Sprachprüfung in Hebräisch, der sich junge Theologen und Theologinnen unterziehen müssen. Die Blätter mit den zu übersetzenden Texten wurden ausgeteilt, die Schriftzeichen noch nicht sichtbar nach unten. Auf ein Kommando des Prüfers durften wir die Blätter umdrehen. Zunächst tanzten die Buchstaben wie Derwische vor meinen Augen. Ich zwang mich zur Ruhe und begann zu übersetzen."Da zogen hinab zehn Brüder Josephs, um in Ägypten Getreide zu kaufen."

Ich fasse es nicht und schaue noch einmal hin: Meine Kinder-Lieblingsgeschichte als Prüfungsstoff! Der Stift wetzte über das Papier, drängte sich danach, von Benjamin, dem Becher, den Tränen Josephs und der Wiederken­nungs-Szene zu schreiben. So schnell habe ich nie wieder aus dem Hebräischen übersetzt, so fehlerfrei auch nicht. All meine Zuneigung zu den einzelnen Personen packte ich hinein in den Text, mein Verständnis und Mitleiden, meine Anti­pathie und das Glück eines neuen Miteinanders. So ist es, ich fühle es richtig: "Der Buchstabe tötet – aber der Geist macht lebendig!" ( 2 Kor 3,6).

Sola Scriptura – die Bibel ist ein wundervolles Buch voller Leben. Von Gott inspiriert, von Menschen geschrieben. Es ist Luther zu danken, dass er sich an die unglaubliche Aufgabe gemacht hat, die Heilige Schrift voller Liebe und Aufmerksamkeit ins Deutsche zu übersetzen. Warum er das getan hat? Weil er unbedingt wollte, dass jedes Menschenkind sich ein eigenes Bild machen, selbst den Wortlaut des Alten und Neuen Testamentes erfassen kann. Das ist theologisch wichtig, weil es den zentralen Gesichtspunkt lutherischer Theologie betont: Entscheidend ist die Beziehung zwischen Gott und dem einzelnen Menschen.

Gott spricht mit seinem Wort zunächst das Individuum an, nicht die Institution. Er meint Dich und mich, sie und ihn, natürlich auch uns, euch und sie. Das allgemeine Priestertum bedeutet das Recht, sich lesend und hörend selbständig eine Überzeugung zu bilden und nicht abhängig zu sein von dem Geheimwissen anderer, die damit womöglich ganz eigene Ziele verfolgen. Die Bibel in der Hand eines jeden ist ein Recht. Sie selber studieren und interpretieren zu dürfen, ist aber auch eine verantwortungsvolle Angelegenheit – denn sie verlangt rechtschaffene Konzentration auf den Text und keine Interessen geleitete Beliebigkeit.

Luther hat deutlich gemacht, dass die Bibel kein Steinbruch ist, aus dem man sich nach Gutdünken herausschlagen darf, was einem in den Kram passt. Genauso wenig kann man alles wortwörtlich nehmen, gleichsam für in Stein gemeißelt, was aus der jeweiligen Zeit heraus entstanden ist. Wenn mal wieder jemand, wie derzeit die lettische Kirche, behauptet, Frauen sollten in der Gemeinde besser schweigen, ist das eben nicht Gottes Wirt geschuldet. Jesus selbst ist mit Frauen ganz selbstverständlich und voller Akzeptanz umgegangen, hat sie zu namentlich genannten Jüngerinnen berufen (Lk 8, 1-3).

Was Christum treibet, ist nach Luther Mittelpunkt der Schrift, nicht zeitgebundene Aussagen. Das bringt Dynamik in Glaube und Kirche. Denn das sorgsame Achten auf das, was Christum treibet, hält den einzelnen Christenmenschen und die ganze Kirche auf Trab. Wir sind allesamt semper reformanda, bestens zu verändern und reformieren. Und das Schöne daran ist: Gott hat uns als Menschen erneuerbar geschaffen. Die Organisationen, die wir selber kreieren, sind es sowieso, haben es auch immer wieder nötig. Semper reformanda steht in unseren Bekenntnisschriften: Wir haben stets neu nachzudenken. Zuspruch und Anspruch.

Wem das Wort Gottes anvertraut ist – uns allen – der soll es lebendig weitergeben, verkündigen. Der oder die soll es munter bezeugen: Nicht allein im Gottesdienst, sondern auch en passent oder ganz bewusst im Alltag. Diesen "Drive", diesen Schwung hat Luther ins Leben gebracht. Sola Scriptura für alle bedeutet Gläubige Autonomie des Einzelnen, in der Folge einen munteren Diskurs über individuell gewonnene Einsichten und damit eine Demokratisierung der Kirche. Zugleich, noch einmal, keine Beliebigkeit, denn "einen andern Grund kann niemand legen als den, welcher gelegt ist, welcher ist Jesus Christus" (1 Kor 3,11).

Jetzt wollen wir einen Schritt weitergehen und unsere Gemeindemitglieder anregen, in ihrem privaten Bereich das Gleiche zu versuchen.

Wer beim Projekt Mein CO2-Fußabdruck mitmacht, ermittelt über ein Jahr hinweg seine persönliche CO2-Bilanz und entdeckt, wie man sie vermindern kann. Näheres auf dem Info Flyer.

St. Lukas ist eine Gemeinde, die sich für Umwelt und Klima engagiert. Vor fünf Jahren hat sie das Umweltmanagementsystem Grüner Gockel eingeführt. Wir arbeiten u.a. daran, unseren CO2 Ausstoß zu reduzieren und so einen Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels zu leisten.

Zwei Stämme mussten vom Gartenbauamt gefällt werden. Wo früher Laubesfülle und Geäst war, gähnt jetzt Leere und blanker Erdboden.

Der Paradiesbaum ist aber nicht ganz aus dem Kirchgarten vertrieben. Ein Stamm ragt noch beeindruckend in den Himmel. Im Herbst wird er mit seinen goldgelben Blättern und den Früchten ein Blickfang sein. Und Passanten werden wieder dastehen und sich fragen, was das wohl für ein Baum ist. An dieser Stelle sei es verraten: eine kaukasische Flügelnuss (Pterocarya fraxinifolia).

Kein kühlender Schatten mehr in der heißen Mittagssonne. Der Paradiesbaum in Kirchgarten von St. Lukas ist nicht mehr. Zwei seiner drei Stämme, die eigenwillig schräg aus dem Erdboden kamen, sind verloren, samt ihrem Geäst, das sich weit ausgebreitet hat über den südlichen Mariannenplatz. Beim schweren Regen nach Gartenlust und Kindergartensommerfest im Juli kam die Fäulnis an der Wurzel zu Tage. Das regenschwere Blätterdach drückte den Stamm zu Boden.

Ich habe als Pfarrerin in St. Lukas laufen gelernt, manches probiert, viel erlebt. Ich durfte Gaben, Vorlieben und Kompetenzen entdecken und entwickeln. Besonders gerne arbeite ich mit den Konfis. Ich liebe die gesungene Liturgie, habe große Freude an Predigt in Theologie und Rhetorik, Seelsorge mit allen Altersgruppen sowie der Beschäftigung mit Kommunikation und Konfliktmanagement. Das Relief der "Segnenden Hand" an der Sakristeitür in St. Lukas bedeutet mir ebensoviel wie mein Lieblingsfenster ganz oben über dem Altar mit Alpha und Omega.

Nun ist es für mich nach fast zehn Jahren im geliebten München Zeit für etwas Neues. Ich kehre zurück in meine Heimatstadt Regensburg, die ich nach 15 Jahren neu entdecken kann. Zum April 2017 trete ich dort eine Stelle in der Hochschul- und Studierendenseelsorge an. Am 19. März 2017 werde ich in St. Lukas im Gottesdienst verabschiedet und freue mich, Ihnen persönlich "Servus" zu sagen. Meinen Dank für diese reichen Jahre und Ihnen allen Gottes reichen Segen.

Abschiedsworte von Pfarrerin Dr. Gabriele Kainz

Im März 2011 habe ich nach einem Jahr Ausflug in die Welt der Wirtschaft als Pfarrerin im Probedienst mit einer halben Stelle in St. Lukas begonnen. Daneben arbeitete ich an meiner Dissertation, die ich 2014 abschließen konnte, sammelte Erfahrungen in der Personalabteilung der Landeskirche und  absolviere seit 2015 eine dreijährige Therapieausbildung, "Hakomi".

"Die erste Stelle ist wie die erste Liebe" so sagt man – und so fühlt es sich für mich an. Meine Highlights waren Tauferinnerungsgottesdienste, mehrstimmiges Singen in St. Martin, der große Weihnachtsgottesdienst in St. Lukas, Schaukeln in der Kuppel, Tanzen durch den Mittelgang mit Hans Herberth und viele einzelne Begegnungen, in denen in Zusammenarbeit und Zusammensein der Geist spürbar wehte.

Nachruf – Peter Kahle *1946 †2020

Überschrift zu Bedford-Strohm Corona – Reference

Artikel Bedford-Strohm Corona – Reference

Reference

Reference

“Hier bin ich. Komm herüber. Ich freu mich auf Dich.” Predigt zur Einführung von Regionalbischof Christian Kopp

Sankt Lukas in Orange: Zeichen setzen gegen Gewalt gegen Frauen

„Unterwegs in Auftrag des Herrn“: Gottesdienst zur Verabschiedung von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler

„Wer groß sein will unter euch“ Kanzelrede von Barbara Stamm, Landtagspräsidentin a.D.

Neue Pfarrerin für St. Lukas: Pfarrerin Bettina-Maria Minth stellt sich vor – Einführungsgottesdienst 19. Mai

In einer Sondersitzung am 20. Februar hat der Kirchenvorstand von St. Lukas Frau Pfarrerin Bettina-Maria Minth zur Nachfolgerin von Pfarrerin Beate Frankenberger auf der 2. Pfarrstelle gewählt.
Sie wird ihren Dienst am 1. Mai 2019 antreten und am 19. Mai um 10 Uhr im Gottesdienst von Stadtdekanin Barbara Kittelberger in ihr Amt eingeführt.
Hier Ihre Vorstellung:

Liebe Gemeinde von St. Lukas!
Ich bin aufgeregt: Vor mir steht meine neue Leinwand. Ich packe sie aus der Schutzfolie aus und stelle sie auf die Staffelei. Hell und einladend scheint die Sonne darauf und ich trete einen Schritt zurück. Bilder und Motive, Farben und Formen schießen mir in den Kopf. Zeitgleich wird mir bewusst, dass ich mir manchmal etwas vornehme und dann entsteht durch Gottes Geist etwas ganz anderes. Ich freue mich darauf, diese Leinwand zu gestalten.

Vor so einer großen, neuen Leinwand stehe ich nun ab Mai auch. Denn da wird mir die Pfarrstelle München – St. Lukas II übertragen. Ich freue mich, dass ich mich Ihnen auf diesem Weg schon einmal vorstellen kann und damit mit der Gestaltung dieser St. Lukas-Leinwand beginnen darf.

Mein Name ist Bettina-Maria Minth. Ich bin 33 Jahre alt, ledig, aber ich werde nicht alleine kommen: Ich bringe meine zwei Hunde namens Chewbacca und Soraya mit. Geboren bin ich in Siebenbürgen (Rumänien), aber meine Heimat war stets München, wo ich an der Kreuzkirche aufgewachsen bin und in Planegg Vikarin war. Die Entsendung im Rahmen des Probedienstes einmal ans andere Eck von Bayern, nämlich ins oberfränkische Neustadt bei Coburg, war ein spannender Lebensabschnitt, den ich nicht missen wollen würde. Dort habe ich vieles aus dem Pfarrberuf ausprobieren dürfen und mich zuletzt intensiv um die Konfirmanden und Jugendlichen gekümmert. Jetzt führt mich mein Weg wieder zurück in heimatliche Gefilde und ich freue mich, Pfarrerin der Kirchengemeinde St. Lukas zu werden. Schon lange fasziniert mich nämlich, wie Ihre Kirchengemeinde christlichen Glauben lebt. Für mich ist es die Übertragung vom Auftrag Jesu zur Liebe in die Gegenwart: Zur Selbstliebe, die sich für mich in der Annahme unserer Einzigartigkeit spiegelt und dementsprechend beispielsweise in der Kunst und Musik einen Ausdruck erhält; zur Nächstenliebe, die in der Gastfreundschaft und der Aufnahme der Verschiedenheit sichtbar wird; sowie zur Gottesliebe, die ich gerne – wie Ihre Kirchengemeinde – in den Gottesdiensten und besonders im Abendmahl lebe und zukünftig mit Ihnen gemeinsam erleben darf.

Ich freue mich, Sie bald persönlich kennenzulernen und bin schon gespannt, zu welchen Anlässen wir gemeinsam mit all den Farben, die Gott uns geschenkt hat, und den Ideen, die Gottes Geist uns eingibt, und aller Liebe, zu der Jesus uns ermutigt, Kunstwerke entstehen lassen.
Herzliche Grüße!
Ihre Pfarrerin Bettina-Maria Minth

Krieg und Frieden. Kanzelrede zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs

„Eine Orgel zum Wachküssen“

"Unsere Steinmeyer-Orgel zählt weltweit zu den bedeutenden Großorgeln ihrer Zeit. Von ihrem Brausen sind die Menschen schnell beeindruckt. Doch die Orgel wird nicht wegen ihrer Lautstärke „Königin der Instrumente“ genannt, sondern wegen ihres Klangreichtums. Das wusste auch schon Georg Friedrich Steinmeyer, der 1932 in der Weltwirtschaftskrise die Orgel baute. Sein Vorschlag mit weniger Registern, aber mit besonderen Klangfarben kam bei den damaligen Auftraggebern nicht an. Groß sollte die Orgel sein und etwas hermachen. Dies gelang nur durch den Bau vieler hochklingender Register mit kleinen Pfeifen, die billig waren, klanglich zwar nichts brachten, aber die Registerzahl auf stattliche 72 steigen ließen. Steinmeyer fügte sich, denn seine Firma brauchte den Auftrag. Trotz der blassen Disposition gab Steinmeyer sein Bestes und schuf ein spätromantisches Instrument mit all der typischen Wärme und Fülle.
In den 1960er Jahren war alles Romantische verpönt und man suchte nach dem vermeintlich wahren Orgelklang wie zu Bach’s Zeiten. Dieser Eingriff hatte Folgen: Alle Besonderheiten der Spätromantik wurden diesem Klangideal geopfert. Die Ecken und Kanten mancher Registerfarben gingen verloren, und einzelne Register entfalteten allein keine Wirkung mehr im Raum. Die zeichnende Klarheit verschwand, was zu einem Problem für die große Akustik von St. Lukas wurde. Diese Identitätskrise hat unsere Orgel bis heute nicht verwunden; keine Epoche lässt sich adäquat darstellen. Die Kreativität der Kantoren kann die Defizite überbrücken und lassen sie den Hörer nicht spüren. 
Was soll nun passieren? Die Sanierung der technischen Anlage von 1932 ist selbstredend. Der neue Spieltisch für die Empore (2019) ist ein Anfang. Neben der Behebung des kritischen Eingriffs der 1960er Jahre und der Rückführung auf den romantischen Klang werden sechs neue Register das Konzept im Steinmeyer’schen Geist vervollständigen und mehr Lebendigkeit bringen.
Die renommierte Orgelbaufirma Karl Schuke aus Berlin wird dieses Projekt realisieren. In unserer Orgel schlummert so viel unausgeschöpftes Potenzial, dass es ein Gastorganist einmal treffend formulierte: "Alles ist da, nur hinter einer Dornröschenhecke versteckt. Man muss es nur wachküssen." Als "Dom der Protestanten" haben wir eine Vorbildfunktion, dazu gehört auch die Pflege des kirchenmusikalischen Erbes. Trotz Bemühungen der letzten Jahrzehnte gelang aus Geldmangel nie der große Wurf. 2022 feiert die Orgel ihren 90. Geburtstag. Ein Zeitpunkt, ihr ihre klangliche Würde zurückzugeben."
Kantor Tobias Frank 

Abschiedspredigt von Beate Frankenberger

Kanzelrede 2018 von Autor und Regisseur Björn Bicker

Weihnachtsgottesdienst 2017 – Live aus St. Lukas in München

Zentraler Gottesdienst zum Reformationstag mit Predigt von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler

Sola fide – Wie geht Glaube? Von Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising

Wie geht Kirche? Soli Deo Gloria! Von Pfarrer Andreas Ebert

Kanzelrede 2017 von Schauspieler und Kabarettist Andreas Giebel

Wie geht Gnade? Von Bundespräsident Joachim Gauck

Wie geht Freiheit?

Wie geht Reformation?

Das neue Buch Exodus: Prof. Dr. Heribert Prantl, Journalist und Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, hat am Sonntag Judica, den 13. März 2016, im Gottesdienst der Lukaskirche eine Kanzelrede gehalten zum Thema: "Zu-Flucht. Kirche in bewegten Zeiten".
Die Rede ist als PDF hier abrufbar.

Unsere Gemeindebriefe als Download

Ausgabe 2015/4 (Dezember 2015 – Februar 2016)
Albtraum.
Flüchtig und wohnungslos. Wie St. Lukas hilft.
Christbaum. Alles rund ums Fest in St. Lukas
Innenraum. Sanierung und Gestaltung von St. Lukas

Als kleines Mädchen erklärte ich meinen Eltern von mir aus und sehr entschlossen, dass ich den Kindergottesdienst besuche wolle. Ich hatte Gutes davon gehört: Man bekommt Geschichten erzählt, so hieß es, und eine kleine Zeitung mit Rätseln und Bildern. Mit beidem war ich wissensdurstige kleine Person zuhause nicht besonders gesegnet, weil das Geld dafür fehlte. Meine Eltern waren einverstanden. Also stapfte ich vergnügt und ein bisschen aufgeregt los. Alles war so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine junge, liebens­werte Frau erzählte mitreißende Geschichten.

Geschichten über Geschichten, alle aus der Bibel, eine so atemberaubend wie die andere. Nein, nicht ganz. Joseph und seine Brüder – das war mein persönlicher Hit. Zuerst der Verkauf des Traumtänzers Joseph nach Ägypten, der Schmerz seines Vaters, Joseph als widerspenstiges Lustobjekt der Kämmerersfrau, seine Gefangenschaft in den Kerkern des Pharao…. Ich konnte es kaum erwarten, bis der nächste Sonntag da war und es endlich mit der hochdramatischen Familiensaga weiterging. Manche Mehrteiler im Fernsehen heute erinnern mich entfernt an die Spannung vergangener Tage.

Unsere persönliche Situation zuhause, mein Vater, der nicht bei uns leben durfte, weil er nicht mit meiner Mutter verheiratet war, die despektierlichen Äußerungen über uns im gesellschaftlichen Umfeld waren es wohl, die mich sensibel gemacht haben für die emotionalen Züge der bibli­schen Geschichten. Da kommen Menschen vor wie du und ich. Einer phantasiert sich in großartige Rollen, weil das Leben ihn klein macht. Andere wollen mitziehen, sind neidisch über fremde Erfolge. Verluste brechen einem schier das Herz; unbefriedigte Sehnsucht kann aggressiv machen. Und erst ein happy-end!

Ich liebte und liebe den glücklichen Ausgang von Erzählun­gen, Filmen, Büchern und natürlich von Ereignissen im wirk­lichen Leben. Es braucht solche Visionen, solche Bilder vom guten Ausgang, damit man nicht erstickt unter der Last noch unbewältigter Erfahrungen oder gar zerbricht an einer quälenden Realität. Joseph, der es schließlich ganz nach oben geschafft hat, sieht seine Brüder nach Jahren wieder. Sie erkennen ihn nicht. Er gibt ihnen Getreide, damit sie nicht hungern, verlangt aber den Jüngsten von ihnen zu sehen, den daheim gebliebenen Benjamin, und behält dafür eine Geisel.

Schier unerträglich war mein Verlangen, der Familienfriede möchte wieder hergestellt, die Geschwister vereint beieinan­der leben. Noch war es nicht soweit. Joseph versteckte beim zweiten Besuch der Brüder einen silbernen Becher im Gepäck von Benjamin, ließ den davonziehenden Geschwistern nachjagen und sie wegen angeblichen  Diebstahls verhaften. Mein Gott, was für eine Aufregung! Ich fieberte förmlich dem Ende entgegen. Joseph würde sich doch wohl nicht billig rächen? Er wollte sicher die Gefühle nur hochkatapultieren, damit die Versöhnung umso großartiger würde…

Meine Erleichterung war grenzenlos, als sich schließlich alle begeistert in die Arme sanken. So, fand ich, so muss das Leben sein: Abenteuerlich, voller Liebe und Leidenschaft, voll Zorn über Ungerechtigkeit und Kampf gegen das Böse, voll packender Ideen und bei allem Realismus immer wieder mal voll paradiesischer Harmonie. Das war und ist ganz nach meinem Geschmack: Pralles Leben, mit allen Höhen und Tiefen, manchmal reduziert und dann wieder unendlich frei, weit. Im Lauf der Jahre entdeckte ich stets neue Züge an der Josephs­geschichte, die mich faszinierten, unwiderstehlich anzogen.

Ich sah eine Mutter, die nicht mehr da war. Einen Vater, der folgenschwer ein Kind vorzog. Seine Unfähigkeit, den Tod der geliebten Frau zu verarbeiten. Die Brüder, die sich der Konfrontation nicht stellen, sondern verdrängen. Joseph, der sich nur mit den Flügeln der Seele einer Prell­bockposition entziehen konnte. Ich fand dargestellt, wie Träume in ihrer existentiellen Bedeutung zu erkennen und zu erfassen sind. Ich las von schweren, qualvollen  Zeiten, die einen reifer und erwachsener aus ihren Fängen entlassen, von Beziehungen, die Arbeit machen und Phantasie erfordern.

Die Kirchengemeinde im Verbund mit Dekanat und Landeskirche hatte ihn initiiert. Eine Jury, moderiert von Professorin Dipl.-Ing. Architektin Hannelore Deubzer von der Fakultät für Architektur an der Technischen Universität München und besetzt mit Mitgliedern aus Kirchengemeinde, Dekanat, Landeskirche, Denkmalschutz und Stadtplanung hatte sich intensiv mit den entwickelten Lösungen beschäftigt. Jetzt ist der Architektenwettbewerb mit einer einhelligen Empfehlung zuende gegangen. Die Entwürfe des Stuttgarter Architekturbüros Arno Lederer, Jórunn Ragnarsdóttir, Marc Oei haben das Rennen gemacht. Im Realisierungsteil geht Lederer mit dem Erbe des Kirchenraumes nach Einschätzung der Jury am achtsamsten um und versucht mit geringen Eingriffen zukünftigen Anforderungen entgegenzukommen.

Als kleines Mädchen erklärte ich meinen Eltern von mir aus und sehr entschlossen, dass ich den Kindergottesdienst besuche wolle. Ich hatte Gutes davon gehört: Man bekommt Geschichten erzählt, so hieß es, und eine kleine Zeitung mit Rätseln und Bildern. Mit beidem war ich wissensdurstige kleine Person zuhause nicht besonders gesegnet, weil das Geld dafür fehlte. Meine Eltern waren einverstanden. Also stapfte ich vergnügt und ein bisschen aufgeregt los. Alles war so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine junge, liebens­werte Frau erzählte mitreißende Geschichten.

Geschichten über Geschichten, alle aus der Bibel, eine so atemberaubend wie die andere. Nein, nicht ganz. Joseph und seine Brüder – das war mein persönlicher Hit. Zuerst der Verkauf des Traumtänzers Joseph nach Ägypten, der Schmerz seines Vaters, Joseph als widerspenstiges Lustobjekt der Kämmerersfrau, seine Gefangenschaft in den Kerkern des Pharao…. Ich konnte es kaum erwarten, bis der nächste Sonntag da war und es endlich mit der hochdramatischen Familiensaga weiterging. Manche Mehrteiler im Fernsehen heute erinnern mich entfernt an die Spannung vergangener Tage.

Unsere persönliche Situation zuhause, mein Vater, der nicht bei uns leben durfte, weil er nicht mit meiner Mutter verheiratet war, die despektierlichen Äußerungen über uns im gesellschaftlichen Umfeld waren es wohl, die mich sensibel gemacht haben für die emotionalen Züge der bibli­schen Geschichten. Da kommen Menschen vor wie du und ich. Einer phantasiert sich in großartige Rollen, weil das Leben ihn klein macht. Andere wollen mitziehen, sind neidisch über fremde Erfolge. Verluste brechen einem schier das Herz; unbefriedigte Sehnsucht kann aggressiv machen. Und erst ein happy-end!

Ich liebte und liebe den glücklichen Ausgang von Erzählun­gen, Filmen, Büchern und natürlich von Ereignissen im wirk­lichen Leben. Es braucht solche Visionen, solche Bilder vom guten Ausgang, damit man nicht erstickt unter der Last noch unbewältigter Erfahrungen oder gar zerbricht an einer quälenden Realität. Joseph, der es schließlich ganz nach oben geschafft hat, sieht seine Brüder nach Jahren wieder. Sie erkennen ihn nicht. Er gibt ihnen Getreide, damit sie nicht hungern, verlangt aber den Jüngsten von ihnen zu sehen, den daheim gebliebenen Benjamin, und behält dafür eine Geisel.

Schier unerträglich war mein Verlangen, der Familienfriede möchte wieder hergestellt, die Geschwister vereint beieinan­der leben. Noch war es nicht soweit. Joseph versteckte beim zweiten Besuch der Brüder einen silbernen Becher im Gepäck von Benjamin, ließ den davonziehenden Geschwistern nachjagen und sie wegen angeblichen  Diebstahls verhaften. Mein Gott, was für eine Aufregung! Ich fieberte förmlich dem Ende entgegen. Joseph würde sich doch wohl nicht billig rächen? Er wollte sicher die Gefühle nur hochkatapultieren, damit die Versöhnung umso großartiger würde…

Meine Erleichterung war grenzenlos, als sich schließlich alle begeistert in die Arme sanken. So, fand ich, so muss das Leben sein: Abenteuerlich, voller Liebe und Leidenschaft, voll Zorn über Ungerechtigkeit und Kampf gegen das Böse, voll packender Ideen und bei allem Realismus immer wieder mal voll paradiesischer Harmonie. Das war und ist ganz nach meinem Geschmack: Pralles Leben, mit allen Höhen und Tiefen, manchmal reduziert und dann wieder unendlich frei, weit. Im Lauf der Jahre entdeckte ich stets neue Züge an der Josephs­geschichte, die mich faszinierten, unwiderstehlich anzogen.

Ich sah eine Mutter, die nicht mehr da war. Einen Vater, der folgenschwer ein Kind vorzog. Seine Unfähigkeit, den Tod der geliebten Frau zu verarbeiten. Die Brüder, die sich der Konfrontation nicht stellen, sondern verdrängen. Joseph, der sich nur mit den Flügeln der Seele einer Prell­bockposition entziehen konnte. Ich fand dargestellt, wie Träume in ihrer existentiellen Bedeutung zu erkennen und zu erfassen sind. Ich las von schweren, qualvollen  Zeiten, die einen reifer und erwachsener aus ihren Fängen entlassen, von Beziehungen, die Arbeit machen und Phantasie erfordern.

Als kleines Mädchen erklärte ich meinen Eltern von mir aus und sehr entschlossen, dass ich den Kindergottesdienst besuche wolle. Ich hatte Gutes davon gehört: Man bekommt Geschichten erzählt, so hieß es, und eine kleine Zeitung mit Rätseln und Bildern. Mit beidem war ich wissensdurstige kleine Person zuhause nicht besonders gesegnet, weil das Geld dafür fehlte. Meine Eltern waren einverstanden. Also stapfte ich vergnügt und ein bisschen aufgeregt los. Alles war so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine junge, liebens­werte Frau erzählte mitreißende Geschichten.

Geschichten über Geschichten, alle aus der Bibel, eine so atemberaubend wie die andere. Nein, nicht ganz. Joseph und seine Brüder – das war mein persönlicher Hit. Zuerst der Verkauf des Traumtänzers Joseph nach Ägypten, der Schmerz seines Vaters, Joseph als widerspenstiges Lustobjekt der Kämmerersfrau, seine Gefangenschaft in den Kerkern des Pharao…. Ich konnte es kaum erwarten, bis der nächste Sonntag da war und es endlich mit der hochdramatischen Familiensaga weiterging. Manche Mehrteiler im Fernsehen heute erinnern mich entfernt an die Spannung vergangener Tage.

Unsere persönliche Situation zuhause, mein Vater, der nicht bei uns leben durfte, weil er nicht mit meiner Mutter verheiratet war, die despektierlichen Äußerungen über uns im gesellschaftlichen Umfeld waren es wohl, die mich sensibel gemacht haben für die emotionalen Züge der bibli­schen Geschichten. Da kommen Menschen vor wie du und ich. Einer phantasiert sich in großartige Rollen, weil das Leben ihn klein macht. Andere wollen mitziehen, sind neidisch über fremde Erfolge. Verluste brechen einem schier das Herz; unbefriedigte Sehnsucht kann aggressiv machen. Und erst ein happy-end!

Ich liebte und liebe den glücklichen Ausgang von Erzählun­gen, Filmen, Büchern und natürlich von Ereignissen im wirk­lichen Leben. Es braucht solche Visionen, solche Bilder vom guten Ausgang, damit man nicht erstickt unter der Last noch unbewältigter Erfahrungen oder gar zerbricht an einer quälenden Realität. Joseph, der es schließlich ganz nach oben geschafft hat, sieht seine Brüder nach Jahren wieder. Sie erkennen ihn nicht. Er gibt ihnen Getreide, damit sie nicht hungern, verlangt aber den Jüngsten von ihnen zu sehen, den daheim gebliebenen Benjamin, und behält dafür eine Geisel.

Schier unerträglich war mein Verlangen, der Familienfriede möchte wieder hergestellt, die Geschwister vereint beieinan­der leben. Noch war es nicht soweit. Joseph versteckte beim zweiten Besuch der Brüder einen silbernen Becher im Gepäck von Benjamin, ließ den davonziehenden Geschwistern nachjagen und sie wegen angeblichen  Diebstahls verhaften. Mein Gott, was für eine Aufregung! Ich fieberte förmlich dem Ende entgegen. Joseph würde sich doch wohl nicht billig rächen? Er wollte sicher die Gefühle nur hochkatapultieren, damit die Versöhnung umso großartiger würde…

Meine Erleichterung war grenzenlos, als sich schließlich alle begeistert in die Arme sanken. So, fand ich, so muss das Leben sein: Abenteuerlich, voller Liebe und Leidenschaft, voll Zorn über Ungerechtigkeit und Kampf gegen das Böse, voll packender Ideen und bei allem Realismus immer wieder mal voll paradiesischer Harmonie. Das war und ist ganz nach meinem Geschmack: Pralles Leben, mit allen Höhen und Tiefen, manchmal reduziert und dann wieder unendlich frei, weit. Im Lauf der Jahre entdeckte ich stets neue Züge an der Josephs­geschichte, die mich faszinierten, unwiderstehlich anzogen.

Ich sah eine Mutter, die nicht mehr da war. Einen Vater, der folgenschwer ein Kind vorzog. Seine Unfähigkeit, den Tod der geliebten Frau zu verarbeiten. Die Brüder, die sich der Konfrontation nicht stellen, sondern verdrängen. Joseph, der sich nur mit den Flügeln der Seele einer Prell­bockposition entziehen konnte. Ich fand dargestellt, wie Träume in ihrer existentiellen Bedeutung zu erkennen und zu erfassen sind. Ich las von schweren, qualvollen  Zeiten, die einen reifer und erwachsener aus ihren Fängen entlassen, von Beziehungen, die Arbeit machen und Phantasie erfordern.

Als kleines Mädchen erklärte ich meinen Eltern von mir aus und sehr entschlossen, dass ich den Kindergottesdienst besuche wolle. Ich hatte Gutes davon gehört: Man bekommt Geschichten erzählt, so hieß es, und eine kleine Zeitung mit Rätseln und Bildern. Mit beidem war ich wissensdurstige kleine Person zuhause nicht besonders gesegnet, weil das Geld dafür fehlte. Meine Eltern waren einverstanden. Also stapfte ich vergnügt und ein bisschen aufgeregt los. Alles war so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine junge, liebens­werte Frau erzählte mitreißende Geschichten.

Geschichten über Geschichten, alle aus der Bibel, eine so atemberaubend wie die andere. Nein, nicht ganz. Joseph und seine Brüder – das war mein persönlicher Hit. Zuerst der Verkauf des Traumtänzers Joseph nach Ägypten, der Schmerz seines Vaters, Joseph als widerspenstiges Lustobjekt der Kämmerersfrau, seine Gefangenschaft in den Kerkern des Pharao…. Ich konnte es kaum erwarten, bis der nächste Sonntag da war und es endlich mit der hochdramatischen Familiensaga weiterging. Manche Mehrteiler im Fernsehen heute erinnern mich entfernt an die Spannung vergangener Tage.

Unsere persönliche Situation zuhause, mein Vater, der nicht bei uns leben durfte, weil er nicht mit meiner Mutter verheiratet war, die despektierlichen Äußerungen über uns im gesellschaftlichen Umfeld waren es wohl, die mich sensibel gemacht haben für die emotionalen Züge der bibli­schen Geschichten. Da kommen Menschen vor wie du und ich. Einer phantasiert sich in großartige Rollen, weil das Leben ihn klein macht. Andere wollen mitziehen, sind neidisch über fremde Erfolge. Verluste brechen einem schier das Herz; unbefriedigte Sehnsucht kann aggressiv machen. Und erst ein happy-end!

Ich liebte und liebe den glücklichen Ausgang von Erzählun­gen, Filmen, Büchern und natürlich von Ereignissen im wirk­lichen Leben. Es braucht solche Visionen, solche Bilder vom guten Ausgang, damit man nicht erstickt unter der Last noch unbewältigter Erfahrungen oder gar zerbricht an einer quälenden Realität. Joseph, der es schließlich ganz nach oben geschafft hat, sieht seine Brüder nach Jahren wieder. Sie erkennen ihn nicht. Er gibt ihnen Getreide, damit sie nicht hungern, verlangt aber den Jüngsten von ihnen zu sehen, den daheim gebliebenen Benjamin, und behält dafür eine Geisel.

Schier unerträglich war mein Verlangen, der Familienfriede möchte wieder hergestellt, die Geschwister vereint beieinan­der leben. Noch war es nicht soweit. Joseph versteckte beim zweiten Besuch der Brüder einen silbernen Becher im Gepäck von Benjamin, ließ den davonziehenden Geschwistern nachjagen und sie wegen angeblichen  Diebstahls verhaften. Mein Gott, was für eine Aufregung! Ich fieberte förmlich dem Ende entgegen. Joseph würde sich doch wohl nicht billig rächen? Er wollte sicher die Gefühle nur hochkatapultieren, damit die Versöhnung umso großartiger würde…

Meine Erleichterung war grenzenlos, als sich schließlich alle begeistert in die Arme sanken. So, fand ich, so muss das Leben sein: Abenteuerlich, voller Liebe und Leidenschaft, voll Zorn über Ungerechtigkeit und Kampf gegen das Böse, voll packender Ideen und bei allem Realismus immer wieder mal voll paradiesischer Harmonie. Das war und ist ganz nach meinem Geschmack: Pralles Leben, mit allen Höhen und Tiefen, manchmal reduziert und dann wieder unendlich frei, weit. Im Lauf der Jahre entdeckte ich stets neue Züge an der Josephs­geschichte, die mich faszinierten, unwiderstehlich anzogen.

Ich sah eine Mutter, die nicht mehr da war. Einen Vater, der folgenschwer ein Kind vorzog. Seine Unfähigkeit, den Tod der geliebten Frau zu verarbeiten. Die Brüder, die sich der Konfrontation nicht stellen, sondern verdrängen. Joseph, der sich nur mit den Flügeln der Seele einer Prell­bockposition entziehen konnte. Ich fand dargestellt, wie Träume in ihrer existentiellen Bedeutung zu erkennen und zu erfassen sind. Ich las von schweren, qualvollen  Zeiten, die einen reifer und erwachsener aus ihren Fängen entlassen, von Beziehungen, die Arbeit machen und Phantasie erfordern.

Ausgabe 2015/4 (Dezember 2015 – Februar 2016)

Albtraum. Flüchtig und wohnungslos. Wie St. Lukas hilft.
Christbaum. Alles rund ums Fest in St. Lukas
Innenraum.
Sanierung und Gestaltung von St. Lukas

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Themen

Jubiläumsgottesdienst mit festlichem Brunch
St. Lukas, Sonntag, 3. Juli, 10:00

Auch neu: Die Webseite

1.800 mal – so oft wird die St. Lukas-Webseite im Schnitt besucht – jeden Monat. Meist suchen die Leser Termine. Allein am Heiligen Abend 2015 haben 690 Besucher nachgesehen, wann die Gottesdienste beginnen. Aber auch in der Tiefe der Webseite wird viel gelesen: Ob Chor oder Jugendfreizeit, Taufe oder Trauerfall, das Internet ist für viele der erste, schnellste und unkomplizierteste Kontakt. Deshalb haben wir sanktlukas.de überarbeitet – technisch, optisch und funktional. Man findet Termine nun schneller. Und die Seite ist nicht nur auf PCs, sondern auch endlich auf mobilen Geräten besser lesbar.

Das Wichtigste aber: Wir können jeden Bereich von sanktlukas.de einzelnen Redakteuren zuordnen. So können Gruppen ihre Seiten künftig selbst pflegen und einfach Inhalte hinzufügen und aktuell halten. Und es geht weiter: Als Nächstes planen wir Newsletter zu verschiedenen Themen, die die Empfänger selbst auswählen können, und ein Hilfsmittel für die Arbeitsplanung, z.B. bei der Obdachlosenarbeit.

Haben Sie Ideen oder wollen Sie mitmachen? Schreiben Sie uns: wuenschdirwas(at)sanktlukas.de  

Als kleines Mädchen erklärte ich meinen Eltern von mir aus und sehr entschlossen, dass ich den Kindergottesdienst besuche wolle. Ich hatte Gutes davon gehört: Man bekommt Geschichten erzählt, so hieß es, und eine kleine Zeitung mit Rätseln und Bildern. Mit beidem war ich wissensdurstige kleine Person zuhause nicht besonders gesegnet, weil das Geld dafür fehlte. Meine Eltern waren einverstanden. Also stapfte ich vergnügt und ein bisschen aufgeregt los. Alles war so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine junge, liebens­werte Frau erzählte mitreißende Geschichten.

Geschichten über Geschichten, alle aus der Bibel, eine so atemberaubend wie die andere. Nein, nicht ganz. Joseph und seine Brüder – das war mein persönlicher Hit. Zuerst der Verkauf des Traumtänzers Joseph nach Ägypten, der Schmerz seines Vaters, Joseph als widerspenstiges Lustobjekt der Kämmerersfrau, seine Gefangenschaft in den Kerkern des Pharao…. Ich konnte es kaum erwarten, bis der nächste Sonntag da war und es endlich mit der hochdramatischen Familiensaga weiterging. Manche Mehrteiler im Fernsehen heute erinnern mich entfernt an die Spannung vergangener Tage.

Unsere persönliche Situation zuhause, mein Vater, der nicht bei uns leben durfte, weil er nicht mit meiner Mutter verheiratet war, die despektierlichen Äußerungen über uns im gesellschaftlichen Umfeld waren es wohl, die mich sensibel gemacht haben für die emotionalen Züge der bibli­schen Geschichten. Da kommen Menschen vor wie du und ich. Einer phantasiert sich in großartige Rollen, weil das Leben ihn klein macht. Andere wollen mitziehen, sind neidisch über fremde Erfolge. Verluste brechen einem schier das Herz; unbefriedigte Sehnsucht kann aggressiv machen. Und erst ein happy-end!

Ich liebte und liebe den glücklichen Ausgang von Erzählun­gen, Filmen, Büchern und natürlich von Ereignissen im wirk­lichen Leben. Es braucht solche Visionen, solche Bilder vom guten Ausgang, damit man nicht erstickt unter der Last noch unbewältigter Erfahrungen oder gar zerbricht an einer quälenden Realität. Joseph, der es schließlich ganz nach oben geschafft hat, sieht seine Brüder nach Jahren wieder. Sie erkennen ihn nicht. Er gibt ihnen Getreide, damit sie nicht hungern, verlangt aber den Jüngsten von ihnen zu sehen, den daheim gebliebenen Benjamin, und behält dafür eine Geisel.

Schier unerträglich war mein Verlangen, der Familienfriede möchte wieder hergestellt, die Geschwister vereint beieinan­der leben. Noch war es nicht soweit. Joseph versteckte beim zweiten Besuch der Brüder einen silbernen Becher im Gepäck von Benjamin, ließ den davonziehenden Geschwistern nachjagen und sie wegen angeblichen  Diebstahls verhaften. Mein Gott, was für eine Aufregung! Ich fieberte förmlich dem Ende entgegen. Joseph würde sich doch wohl nicht billig rächen? Er wollte sicher die Gefühle nur hochkatapultieren, damit die Versöhnung umso großartiger würde…

Meine Erleichterung war grenzenlos, als sich schließlich alle begeistert in die Arme sanken. So, fand ich, so muss das Leben sein: Abenteuerlich, voller Liebe und Leidenschaft, voll Zorn über Ungerechtigkeit und Kampf gegen das Böse, voll packender Ideen und bei allem Realismus immer wieder mal voll paradiesischer Harmonie. Das war und ist ganz nach meinem Geschmack: Pralles Leben, mit allen Höhen und Tiefen, manchmal reduziert und dann wieder unendlich frei, weit. Im Lauf der Jahre entdeckte ich stets neue Züge an der Josephs­geschichte, die mich faszinierten, unwiderstehlich anzogen.

Ich sah eine Mutter, die nicht mehr da war. Einen Vater, der folgenschwer ein Kind vorzog. Seine Unfähigkeit, den Tod der geliebten Frau zu verarbeiten. Die Brüder, die sich der Konfrontation nicht stellen, sondern verdrängen. Joseph, der sich nur mit den Flügeln der Seele einer Prell­bockposition entziehen konnte. Ich fand dargestellt, wie Träume in ihrer existentiellen Bedeutung zu erkennen und zu erfassen sind. Ich las von schweren, qualvollen  Zeiten, die einen reifer und erwachsener aus ihren Fängen entlassen, von Beziehungen, die Arbeit machen und Phantasie erfordern.

Vernissage „Mein München“

Einladung zur Ausstellungseröffnung der Projektgruppe "Youthbridge München"
Youthbridge München ist ein einzigartiges Münchner Pilotprojekt. Fünfzehn gebürtige, eingewanderte und geflüchtete Jugendliche christlicher, muslimischer, ezidischer und jüdischer Abstammung, präsentieren die fotografischen Resultate ihrer Projekttreffen des vergangenen halben Jahres. Mit dabei sind Jugendliche von St. Lukas und St. Anna
26. März 2017, 17 Uhr, Oskar-von-Miller-Gymnasium, Siegfriedstraße 22
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Sola fide – Wie geht Glaube?

Einmal im Jahr lädt St. Lukas einen Menschen des öffentlichen Lebens ein, aus seinem Glauben heraus und mit dem je eigenen fachlichen und persönlichen Hintergrund in einer Kanzelrede im Gottesdienst Stellung zu nehmen. So sprachen unter anderem Imam Benjamin Idriz zum Thema Toleranz, Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse zu „Glaube und Politik“, Theaterintendant Christian Stückl zu „Bild und Religion“ und Journalist und Autor Heribert Prantl zu „Zuflucht in bewegten Zeiten“.

Im Reformationsjubiläumsjahr 2017 war Kabarettist Andreas Giebel bereit über „Licht und Schatten christlicher Existenz“ zu sprechen.

Einmal im Jahr lädt St. Lukas einen Menschen des öffentlichen Lebens ein, aus seinem Glauben heraus und mit dem je eigenen fachlichen und persönlichen Hintergrund in einer Kanzelrede im Gottesdienst Stellung zu nehmen. So sprachen unter anderem Imam Benjamin Idriz zum Thema Toleranz, Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse zu „Glaube und Politik“, Theaterintendant Christian Stückl zu „Bild und Religion“ und Journalist und Autor Heribert Prantl zu „Zuflucht in bewegten Zeiten“.

Im Reformationsjubiläumsjahr 2017 war Kabarettist Andreas Giebel bereit über „Licht und Schatten christlicher Existenz“ zu sprechen.

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Link auf Gemeindebrief im Vollbild-Lesemodus

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Mitwirkende: Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler (Predigt), Pfarrerin Beate Frankenberger (Liturgie), Tobias Frank (Musikalische Leitung), Uli Wangenheim (Saxofon), Schola St. Lukas (Gesang), Heinrich Lüneburg (Kantor), Stefan Hienzsch (Lektor), Stefan Hunstein (Sprecher).

Gesendet im BR Fernsehen am 25.12.2017, 10:00 Uhr
Jetzt ansehen in der BR-Mediathek (verfügbar bis 25.12.2018)

Einmal im Jahr lädt St. Lukas einen Menschen des öffentlichen Lebens ein, aus seinem Glauben heraus und mit dem je eigenen fachlichen und persönlichen Hintergrund in einer Kanzelrede im Gottesdienst Stellung zu nehmen. So sprachen unter anderem Imam Benjamin Idriz zum Thema Toleranz, Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse zu „Glaube und Politik“, Theaterintendant Christian Stückl zu „Bild und Religion“ und Journalist und Autor Heribert Prantl zu „Zuflucht in bewegten Zeiten“.

„Widerhall“ heißt eine aktuelle Gesprächskonzert-Reihe, die du mit der Evangelischen Stadtakademie entwickelt hast. Wie findest Du den „Nachhall“ im Kirchenraum?
Als Organist bevorzuge ich resonante Räume. Der Nachhall ist wie ein Kleidungsstück, dass mich umhüllt. In Räumen mit großer Akustik fühle ich mich musikalisch geborgener, sie machen es mir einfacher musikalische Stimmungen zu erzeugen, machen mich kreativer und laden zu Klangspielereien ein. Der Nachhall lässt mich ein Gespür für die Größe des Raums und seine Winkel entwickeln und transportiert die Stimmung und Konzentration der Hörer. Dadurch trete ich in Kontakt mit dem Raum und dessen Atmosphäre.
Was lässt eines Musikers Herz hier in St. Lukas höherschlagen?
Als Organist ist es ein tolles Gefühl, wenn man die Finger von den Tasten nimmt und der Klang noch für kurze Zeit im Raum steht und sich allmählich in den Kuppelschalen bricht.
Die Emporen bieten viele Möglichkeiten für eine innovative chorische Aufstellung oder etwa bei Klanginstallationen die Sänger versteckt aus dem Kirchenraum heraus den Zuhörer zu überraschen.
Und was bereitet Dir als Musiker Bauchschmerzen?
Ich mag zwar die akustischen Gegebenheiten, aber der große Nachhall geht oftmals auf Kosten der Klarheit. Es gibt akustisch tote Winkel: trotz Menschen neben sich fühlt man sich beim gemeinsame Singen und Beten im Gottesdienst oft allein. So ergeht es auch dem Sänger im Chor: der Raum schluckt manches weg und unter der weiten Kuppel verpufft auch manches.
Auf dem Altar thronen nebeneinander ein Engel mit Schriftrolle und einer mit Harfe. Was heißt das aus der Sicht eines Kirchenmusikers?
Auf mich wirken sie wie die Wächter („sehr hoch auf der Zinne“) über die Einheit von Wort und Musik: beides sind gleichberechtige Werkzeuge der Verkündigung.
Was verstehst du unter sakraler Musik?
Erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden Orgeln für Konzertsäle konzipiert. So ist faktisch Orgelmusik bis dato Musik für den Kirchenraum – also Sakralmusik. Ich denke dabei eher spontan an textgebundene Musik wie etwa Kantaten, Motetten oder Passionen. Es gibt in der Orgelmusik sogenannte „Choralvorspiele“, Musik die eine Melodie eines Kirchenliedes auf kunstvolle Art verarbeitet. Auch wenn man den Text nicht hört, so tauchen vor dem inneren Auge des Hörers Sprachbilder aus dem Choraltext auf. Damit öffnet die Musik eine spirituelle Dimension.
Was ist für dich die spirituelle Dimension von Musik?
Der Heilige Geist und das Hören von Musik haben etwas gemeinsam: man kann sie nicht physisch erklären, aber man kann sie spüren. Wo Sprache den Menschen nicht erreicht, kann Musik ein Türöffner sein. Sie kann die Atmosphäre (Trost, Hoffnung, Freude) eines Anlasses prägen, bringt Ungesagtes zum Klingen, kann Stimmungen kanalisieren und kann etwas vom Göttlichen erahnen lassen.
Im Psalm 27 betet der Psalmbeter: „eines hätte ich gerne,…schauen die schönen Gottesdienste“. Was macht für dich einen Gottesdienst schön?
Ich mag die räumliche Verzahnung von Liturgie und Musik. Letztens im Gottesdienst, als unsere Orgel nicht funktionierte und ich von der Truhenorgel im Altarraum aus gesungen und gespielt habe, erlebte ich das Zusammenspiel zwischen Liturg und Musiker als wohltuend. Von der Orgelempore aus bin ich schon sehr weit vom Geschehen entfernt. Gottesdienste mit besonderer Gestaltung finde ich sehr spannend. Die Konzentration liegt dabei allerdings eher auf dem korrekten Ablauf – wer kommt als nächstes dran, wo haben die Musiker zu stehen, etc. Solche Gottesdienste sind für mich besondere „Veranstaltungen“ mit den damit verbundenen organisatorischen Herausforderungen. Innerlich nehme ich eher bei ganz klassischen Gottesdiensten oder auch der mir vertrauten Form der Evensongs teil. Für mich ist das auf eine positive Art vorhersehbar und ich kann mich mehr fallen lassen.
Vor dem Bau der Philharmonie war St. Lukas schon Konzertsaal dieser Stadt. Wie könnte St. Lukas zum spirituellen Konzertsaal dieser Stadt werden?
Das sind wir doch schon! Nur hat sich das noch nicht in ganz München herumgesprochen. Damit das passiert, brauchen wir bedeutend mehr Geld für die kostenintensive Werbung. Sonst bleiben wir in München nicht im Gespräch.
Sergiu Celibidache und Chick Corea habe hier schon Konzerte gegeben. Was ist da aus Deiner Sicht denkbar?
Ich habe wenig Berührungsängste. Ich würde mich über Kooperationen freuen mit anderen Kultureinrichtungen und Hochschulen. Theater, Ballett, Streetwork-Projekte, … alles denkbar. Da wir Kirchenraum bleiben, haben wir die Chance ein Spannungsfeld für neue künstlerische und soziale Formate zu schaffen – vorausgesetzt wir haben den Platz dazu. Da wirbestimmen, wie der Raum durch wen „bespielt“ wird, bleibt zudem der spirituelle Geist von St. Lukas gewahrt.
Was wünscht du dir konkret für die Sanierung und Gestaltung?
Ich wünsche mir einen freien Raum unter Kuppel und die dadurch entstehenden Möglichkeiten für Gottesdienst und Konzert; ein intelligentes Lichtkonzept um den Raum zu inszenieren; eine sanierte Orgel um noch mehr das Potenzial ausschöpfen zu können, das in ihr schlummert und ich wünsche mir, dass die Einwohner von München St. Lukas als ihreKirche entdecken und sie noch mehr als bisher ein Ort für Gesellschaft, Kultur und Dialogwird.
Auf dem Weg zur Innensanierung und Gestaltung von St. Lukas nehmen wir den Kirchenraum in einer Artikelreihe besonders in den Blick. Dieses Mal nimmt Kantor Tobias Frank Stellung zum Klangraum St. Lukas im Gespräch mit Pfarrer Helmut Gottschling.
"Unsere Steinmeyer-Orgel zählt weltweit zu den bedeutenden Großorgeln ihrer Zeit. Von ihrem Brausen sind die Menschen schnell beeindruckt. Doch die Orgel wird nicht wegen ihrer Lautstärke „Königin der Instrumente“ genannt, sondern wegen ihres Klangreichtums. Das wusste auch schon Georg Friedrich Steinmeyer, der 1932 in der Weltwirtschaftskrise die Orgel baute. Sein Vorschlag mit weniger Registern, aber mit besonderen Klangfarben kam bei den damaligen Auftraggebern nicht an. Groß sollte die Orgel sein und etwas hermachen. Dies gelang nur durch den Bau vieler hochklingender Register mit kleinen Pfeifen, die billig waren, klanglich zwar nichts brachten, aber die Registerzahl auf stattliche 72 steigen ließen. Steinmeyer fügte sich, denn seine Firma brauchte den Auftrag. Trotz der blassen Disposition gab Steinmeyer sein Bestes und schuf ein spätromantisches Instrument mit all der typischen Wärme und Fülle.
In den 1960er Jahren war alles Romantische verpönt und man suchte nach dem vermeintlich wahren Orgelklang wie zu Bach’s Zeiten. Dieser Eingriff hatte Folgen: Alle Besonderheiten der Spätromantik wurden diesem Klangideal geopfert. Die Ecken und Kanten mancher Registerfarben gingen verloren, und einzelne Register entfalteten allein keine Wirkung mehr im Raum. Die zeichnende Klarheit verschwand, was zu einem Problem für die große Akustik von St. Lukas wurde. Diese Identitätskrise hat unsere Orgel bis heute nicht verwunden; keine Epoche lässt sich adäquat darstellen. Die Kreativität der Kantoren kann die Defizite überbrücken und lassen sie den Hörer nicht spüren. 
Was soll nun passieren? Die Sanierung der technischen Anlage von 1932 ist selbstredend. Der neue Spieltisch für die Empore (2019) ist ein Anfang. Neben der Behebung des kritischen Eingriffs der 1960er Jahre und der Rückführung auf den romantischen Klang werden sechs neue Register das Konzept im Steinmeyer’schen Geist vervollständigen und mehr Lebendigkeit bringen.
Die renommierte Orgelbaufirma Karl Schuke aus Berlin wird dieses Projekt realisieren. In unserer Orgel schlummert so viel unausgeschöpftes Potenzial, dass es ein Gastorganist einmal treffend formulierte: "Alles ist da, nur hinter einer Dornröschenhecke versteckt. Man muss es nur wachküssen." Als "Dom der Protestanten" haben wir eine Vorbildfunktion, dazu gehört auch die Pflege des kirchenmusikalischen Erbes. Trotz Bemühungen der letzten Jahrzehnte gelang aus Geldmangel nie der große Wurf. 2022 feiert die Orgel ihren 90. Geburtstag. Ein Zeitpunkt, ihr ihre klangliche Würde zurückzugeben."
Kantor Tobias Frank 

St. Lukas Orange

Wir denken auch an die Menschen, die spürbar unter den wirtschaftlichen Konsequenzen Virus zu leiden haben. Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Geschäftsleute bangen um das wirtschaftliche Überleben.
Für sie alle und für uns selbst wollen wir beten: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Als Christen leben wir nicht aus der Angst, sondern aus dem Vertrauen. Bei allem was jetzt an Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen ist, wissen wir: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.” Das ist die beste Voraussetzung, jetzt das Richtige zu tun, um Gefahren für die Zukunft zu vermeiden und gleichzeitig tief in der Seele zu spüren: Gott ist bei uns jeden Tag. Auf ihn vertrauen wir, egal, was kommt.”
Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Landesbischof
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit”  (2.Timotheus 1,7).
Wort des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum 15. März 2020
“Viele von uns müssen gegenwärtig schwierige und teilweise schmerzliche Entscheidungen treffen. Welche Veranstaltungen können stattfinden? Welche müssen wir absagen? Wieviel Vorsicht ist in unseren persönlichen Beziehungen im Umgang mit andren Menschen geboten? Können wir überhaupt noch jemanden körperlich berühren? Und gerade wenn es auch um andere Menschen geht: Wie können wir das richtige Maß zwischen zuversichtlicher Gelassenheit und Leichtsinn finden?
Sie haben es vermutlich in der Presse gelesen: wir haben die konstituierende Tagung der neuen Landessynode vom 22.-26. März in Bayreuth schweren Herzens bis auf Weiteres verschoben. Mit dieser Entscheidung beteiligen wir uns an den allgemeinen Präventionsbemühungen gegen die weitere Verbreitung des Corona-Virus. Auch andere kirchliche Veranstaltungen und große Gottesdienste müssen abgesagt werden. Auch bei Ihnen in den Gemeinden werden die damit verbundenen schwierigen Abwägungen zu treffen sein.
Auch in unserem persönlichen Verhalten brauchen wir die Kraft, Liebe und Besonnenheit, von der Paulus spricht. Die Liebe drängt nach der Umarmung oder zumindest dem Handschlag. Die Besonnenheit lässt uns das freundliche Zunicken vorziehen – oder auch den Stups mit dem Ellenbogen als neue Form der Begrüßung. Die Liebe zeigt uns aber ganz bestimmt den richtigen Weg. Die Liebe sagt: Rücksicht auf andere ist wichtiger als die eigene Gelassenheit.
Wenn wir jetzt unerwartet mehr Zeit haben durch abgesagte Veranstaltungen oder weil wir zuhause bleiben müssen, dann können wir sie nutzen für Besinnung, Gebet, Psalmenmeditation, Auftanken und Gemeinschaft mit lieben Menschen.

Reference

Hier die Predigt von Susanne Breit-Keßler zum Nachlesen:
Liebe Gemeinde,
programmatisch habe ich mein Amt vor 18 Jahren mit einem Song aus dem jetzt fast vierzig Jahre alten Film Blues Brothers überschrieben. „Wir sind im Auftrag des Hern unterwegs“ sagen die beiden Brüder Jake und Elwood, die in kurzer Zeit 5000 Dollar auftreiben müssen. Sie sollen die Schließung eines Waisenhauses wegen Steuerschulden der Klosterschwestern verhindern. Die beiden überreden alte Mitmusiker, ein letztes Konzert zu geben. Viel geht schief und sie landen, gejagt von amoklaufenden Ex-Freundinnen, erbosten Countrymusikern und Neonazis sowie einer Armada aus Polizei und Militär, im Knast. Bei Verfolgungsjagden wurden 100 Polizeiautos und ein komplettes Einkaufszentrum geschrottet. Sowas habe ich echt nicht gemacht.
Aber vieles davon beschreibt das Aufgabenfeld einer Regionalbischöfin, die sich auftragsgemäß dieser Welt widmet. Denn Gott ist keiner, der auf sich hocken bleibt, auf einem jenseitigen himmlischen Thron, sondern der sich aufmacht in die Welt, um in Jesus Christus Mensch zu werden. Und der offenbar wünscht, dass wir ihm nachfolgen. Also uns um das Scheitern von Beziehungen bekümmern, um Schulden und Schuld, um Künstler, die den Dialog mit Kirche suchen. Politische Auseinandersetzungen wagen, Position gegen den elenden Antisemitismus von links und rechts beziehen. Nachfolge heißt, Besuche bei unserer Polizei und beim Militär zu machen. In die Justizvollzugsanstalten gehen, Kranke und Sterbende besuchen.
Hunger und Durst stillen, Nackte bekleiden, für Wohnungslose sorgen, Fremde aufnehmen. Mit Fröhlichen in der Kirche feiern, mit Trauernden am Grab weinen. Letztlich ist Kirche pure Diakonie, Dienst an der Seele und umsichtige, respektvolle Sorge für den Leib. Natürlich gehören zum Auftrag des Herrn auch herzliche Begegnungen mit Schwesterkirchen und den geistlichen Orden, die mir insbesondere in Gestalt der Pallottiner und Benediktiner zu überaus lieben Freunden geworden sind – genauso wie unsere anglikanischen Freunde mit ihrem unfassbaren Humor. Gut, den brauchen sie auch.
Im Auftrag des Herrn unterwegs sein, das Evangelium von der unendlichen Liebe Gottes in Wort und Tat zu verkündigen – das braucht Leidenschaft, passioniertes Engagement, die Kraft, mit Crashes, mit Scheitern umzugehen. Auch mit dem eigenen. Ich bitte alle, denen ich vielleicht Unrecht getan habe, denen ich nicht genügend Zeit, Aufmerksamkeit oder Respekt gewidmet und erwiesen habe, aufrichtig um Verzeihung. Der Gott, der uns ohne Vorbedingungen liebt, macht es uns möglich, uns selbst genau anzuschauen – und zu sehen, wie wir sind, mit all unseren guten und den wenig glanzvollen Seiten. Es ist erschreckend und beglückend zugleich, der eigenen Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Erschreckend, erschütternd, bewegend, weil der Mensch, der man ist, tatsächlich, wirklich Gottes geliebter Mensch sein darf – und beglückend, weil jeder und jede von uns darauf hin immer wieder neu, getrost und zuversichtlich ins Leben starten kann. Im Auftrag des Herrn unterwegs. Jake und Elwood Blues sind Brüder. In der Kirche bezeichnen wir uns gerne als Geschwister. Als Motto über dem Ende meiner Aufgabe steht ebenfalls ein Songtitel: „We are Family“ aus dem „Käfig voller Narren“. Das sollte kein Anlass für falsche Spekulationen über den Zustand der Kirche sein. Gleichzeitig – warum nicht? „Das Wort vom Kreuz ist der Welt eine Torheit“, sagt der Apostel Paulus.
Ein Gott, der sich nicht als Held feiern lässt, als Superstar, sondern der sich herabbeugt unrund, der sich gnädig erweist, wenn es zum Gotterbarmen ist, der kann ja nur daneben liegen in einer Welt, die das Tollsein auf ihre Weise zum Maßstab menschlicher Existenz gemacht hat. Schnäppchenjäger etwa freuen sich, wenn sie billige Nahrung, Kleidung und Möbel finden. Geiz ist geil. Nein, Geiz ist gemein. Wer mich kennt, weiß, dass ich für fair produzierte und gehandelte Textilien eintrete. Für Teppiche, Fußbälle und Grabsteine ohne Kinderarbeit. Für einwandfreie Lieferketten. Ich werde mich dem künftig noch sehr viel intensiver widmen, weil ich nichts haben und nutzen will, für das andere ihr Leben geben müssen.
Wir leben in einem der reichsten und inzwischen friedlichsten Länder der Welt – es kann und darf uns nicht kalt lassen, wenn anderswo Menschen hungern, leiden und in Kriegen sterben. Es geht uns etwas an, wir müssen uns kümmern, weil das alles unsere Schwestern und Brüder sind. Gottes Ebenbilder wie wir. Als weltweite Familie sind wir aufeinander in Liebe gewiesen im Namen Jesu Christi. Nicht so, dass wir mit unserem eigenen ethischen Handeln den Bekenntnisstand ausrufen – nach dem Motto: Nur wenn wir dies oder das tun, liegen wir absolut richtig. Alles andere ist falsch und böse.

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Gottesdienst zum 9. Sonntag nach Trinitatis
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HAURUCK! Das spontane Sommerferienprogramm
Ferienbetreuung für Kinder von 6 bis 12

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Gottesdienst zum 7. Sonntag nach Trinitatis
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